Corona-Krise: Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Abwicklung von Baustellen?
Die derzeit in unserem Land herrschende Pandemie-Krise trifft jeden. Es ist ein kleines Wunder, dass die Baustellen bislang noch weitgehend unbeeinträchtigt weiterlaufen. Vermutlich ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die Corona-Krise auch auf die Abwicklung von Baustellen Auswirkungen hat.
Der Gedanke liegt nahe, dass es sich bei dem Covid-19-Erreger um einen Fall höherer Gewalt handeln könnte. Allgemein wird der Begriff der höheren Gewalt als ein von außen einwirkendes und objektiv unabwendbares Ereignis verstanden (BGH „Schürmann/Hagedorn I“, Baurecht 1997, 1019). Die allermeisten Bauverträge enthalten Regelungen für den Fall der höheren Gewalt, siehe zum Beispiel § 6 (2) 1. c) VOB/B. Auch im Anlagenbaugeschäft sind derartige Regelungen üblich. Lediglich in den allermeisten Planerverträgen finden sich derartige Regelungen nicht.
Nach allgemeinem Rechtsempfinden wird jedermann der Meinung sein, dass der Covid-19-Erreger sowohl von außen einwirkt als auch objektiv unabwendbar ist, somit also einen Fall der höheren Gewalt darstellt. Eine derartige Betrachtung wäre jedoch stark verkürzt und auch unzutreffend. Die zu erwartenden Fallgestaltungen werden mannigfaltig sein. Vorstellbar ist, dass Baustellen aufgrund behördlicher Verfügungen teilweise oder komplett stillgelegt werden. Ebenso ist denkbar, dass einzelne oder mehrere an einer Baustelle beteiligten Bauunternehmen, Lieferanten oder Planungsbüros aufgrund einer Quarantäneanordnung nur noch eingeschränkt (oder gar nicht mehr) arbeiten können. Bei der Abwicklung grenzüberschreitender Verträge ist zu erwarten, dass Stillstände eintreten werden, weil die entsprechenden Fachkräfte möglicherweise noch nicht einmal das Land des Kunden betreten dürfen. Wie ist es rechtlich zu beurteilen, wenn einzelne oder mehrere (möglicherweise in Schlüsselpositionen tätige) Mitarbeiter eines Unternehmers freiwillig, auf ärztliches Anraten oder aufgrund behördlicher Anordnung in häusliche Quarantäne gehen?
Eine schematische Betrachtung all dieser Fälle ist nicht möglich. Vielmehr muss jeder Einzelfall individuell beurteilt werden. Entscheidend bei der Bewertung des Sachverhalts wird es sein, möglichst konkret festzustellen, worin genau der hindernde Umstand besteht. Der unmittelbare hindernde Umstand wird in der Regel nämlich nicht der Covit-19-Erreger sein, sondern beispielsweise eine behördliche Anordnung oder andere Umstände. Eines aber ist gewiss: Jeder Unternehmer ist im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren gehalten, sich so zu organisieren, dass die vertraglichen Verpflichtungen auch „in Zeiten von Corona“ eingehalten werden können. Entgegen teilweise anderslautender Verlautbarung von anderer Stelle sind wir vor diesem Hintergrund nicht der Meinung, dass jeder Unternehmer vorsorglich Behinderung anzeigen sollte. Ob dies nötig und geboten ist, muss sorgfältig in jedem Einzelfall abgewogen werden. Eine voreilige und unberechtigte Behinderungsanzeige kann für den Unternehmer sogar schädlich sein, weil hieraus möglicherweise geschlossen werden kann, dass der Unternehmer nicht leistungsfähig ist. Etwaige Verzugsschäden hätte dann der AN zu verantworten. Trotz Corona!
Ansprechpartner
Prof. Jörn Bröker
Bauen und Immobilien