KOMMUNEN aufgepasst! – Verfassungsrechtliche Grenzen für die Kreisumlage

Die Kreisumlage ist das zentrale Instrument zur Finanzierung der Kreise und führt vor allem bei leistungsschwächeren Gemeinden zu starken finanziellen Belastungen. Daraus entsteht nicht selten Streit, zumal die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen an die Festlegung der Kreisumlage stark vom Einzelfall abhängt.

Bei der Kreisumlage handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Geldleistung der kreisangehörigen Gemeinden zur Finanzierung der vom Kreis erbrachten Leistungen und erfüllten Aufgaben. Sie wird für jedes Haushaltsjahr in der Haushaltssatzung des Kreises festgesetzt. Auf dieser Grundlage ergehen die Festsetzungsbescheide gegenüber den umlageverpflichteten Gemeinden.

Selbstverwaltungsgarantie: Anspruch auf aufgabenangemessene Finanzausstattung

Die Kreisumlage muss sich – insbesondere der Höhe nach – an der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsgarantie messen lassen. Aus der Selbstverwaltungsgarantie folgt zunächst, dass sowohl für die Gemeinden als auch für die Kreise das Recht besteht, ihre jeweiligen Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Dies hat natürlich finanzielle Implikationen. Da eine effektive Aufgabenerfüllung nicht möglich ist, wenn die erforderlichen finanziellen Mittel fehlen, räumt das Selbstverwaltungsrecht den Gemeinden und Kreisen gleichermaßen einen Anspruch auf aufgabenangemessene Finanzausstattung ein.

Verfassungsfeste Finanzhoheit der Gemeinden

Hierin zeigt sich das finanzielle Dilemma der Kreise. Denn zum einen müssen sie im Interesse der Sicherstellung einer effektiven eigenen Aufgabenerfüllung von den kreisangehörigen Gemeinden die Kreisumlage erheben. Zum anderen dürfen sie dabei jedoch das den Gemeinden zustehende Recht auf aufgabenangemessene finanzielle Ausstattung nicht verletzen. Denn der Schutz- und Garantiegehalt des Selbstverwaltungsrechts gilt auch im internen Verhältnis zwischen Kreis und Gemeinde. So hat das BVerwG in seinem grundlegenden Malbergweich-Urteil vom 31.01.2013 (8 C 1.12) festgestellt, dass die Erhebung der Kreisumlage nicht zu einer einseitigen und nachhaltigen Einschränkung der verfassungsfesten Finanzhoheit der Gemeinden führen darf und den Gemeinden ein ausreichender Mindestbestand an finanziellen Mitteln zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung verbleiben muss.

Unzumutbare Belastung der gemeindlichen Finanzkraft

Wann die Grenze der unzumutbaren Belastung der gemeindlichen Finanzkraft durch die Erhebung eines bestimmten Umlagesatzes jedoch überschritten wird, lässt sich aufgrund des individuellen Aufgabenbestandes des erhebenden Kreises und der jeweiligen Leistungsfähigkeit der umlageverpflichteten Gemeinden nicht abstrakt feststellen. Es muss vielmehr ein Umlagesatz gefunden werden, der einen sachgerechten Ausgleich der Interessen des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden im konkreten Einzelfall bewirkt. Diese im Ausgangspunkt eher vage Anforderung wird durch das BVerwG im Malbergweich-Urteil dahin gehend konkretisiert, dass die kreisangehörigen Gemeinden – auch nach Erhebung der Kreisumlage – mindestens über so große Finanzmittel verfügen müssen, dass sie ihre Pflichtaufgaben im Wesentlichen ohne eine mehr als nur vorübergehende Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über genügend finanziellen Spielraum verfügen, um weitere (freiwillige) Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen. Mit anderen Worten, die absolute Grenze des aus verfassungsrechtlichen Gründen für die kreisangehörigen Gemeinden Hinnehmbaren ist überschritten, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben auszuüben. Die Darlegungshürde ist aus Sicht der kreisangehörigen Gemeinden also nicht gering, zumal nötigenfalls auch eigene Maßnahmen zur Haushaltssanierung gefordert werden, bevor eine Verletzung der unantastbaren finanziellen Mindestausstattung mit Erfolg gerügt werden kann.

Offene Fragen

Im Einzelnen sind trotz einer gewissen Rechtsprechungshistorie noch viele Fragen ungeklärt: Über welchen Zeitraum hinweg muss – prognostisch – die finanzielle Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten werden, damit die Kreisumlage als rechtswidrig überhöht eingestuft wird? Welche Prognosesicherheit muss bestehen? Auf welche kreisangehörige Gemeinde ist überhaupt abzustellen? Die finanzschwächste oder vielleicht die rechnerische Durchschnittsgemeinde des konkreten Kreises? Angesichts dieser Unklarheiten verwundert es nicht, dass sich die Darlegung eines Verstoßes gegen die verfassungsrechtlich garantierte Mindestfinanzausstattung als schwierig darstellt.

Anhörung als wesentliches Verfahrensrecht der Gemeinden

Allerdings bedeutet dies nicht, dass die kreisangehörigen Gemeinden sich gegen die Erhebung der Kreisumlage nicht mit Erfolg wehren könnten. Denn gerade in jüngerer Zeit haben Klagen aufgrund von Verstößen gegen das bei der Erhebung der Kreisumlage einzuhaltende Verfahren zum Erfolg geführt. So müssen die Landkreise bei der Erhebung der Kreisumlage nicht nur ihren eigenen abzudeckenden Finanzbedarf ermitteln, sondern auch den finanziellen Bedarf ihrer kreisangehörigen Gemeinden, um einen gerechten Interessenausgleich zu finden. Im Zuge dieser Ermittlungen ist es verfassungsrechtlich geboten, dass die von der Umlageerhebung in ihrem Selbstverwaltungsrecht betroffenen Gemeinden von den Kreisen angehört werden, wobei für die Gemeinden auch Mitwirkungsobliegenheiten hinsichtlich der Darlegung ihrer finanziellen Situation bestehen. Damit das Anhörungsrecht keine leere Hülle bleibt, müssen die von den Gemeinden im Rahmen ihrer Anhörung vorgebrachten Argumente zudem vom Kreis bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt und abgewogen, die konkrete Bemessung der Umlage begründet werden.

Praxistipp

Abschließend bleibt damit festzuhalten, dass die konkrete Höhe der Kreisumlage aufgrund der Individualität der jeweiligen Umstände auch weiterhin ein häufiger Streitpunkt sein wird. Allerdings bestätigen die jüngsten Urteile zum Anhörungserfordernis den Trend zur Stärkung der Verfahrensrechte der kreisangehörigen Gemeinden. Von der Kreisumlage betroffene Gemeinden und Gemeindevertreter sollten daher auf die Einhaltung der Anhörungsverpflichtung bestehen, damit ihre finanziellen Bedürfnisse und Interessen von den Landkreisen in angemessenem Umfang berücksichtigt werden. Zugleich sollten jedoch auch die Kreise sowie die dort zuständigen Entscheidungsträger aus eigenem Antrieb auf die Einhaltung dieses Verfahrensschrittes achten, damit sich eventuelle Rechtsstreitigkeiten bereits im Voraus vermeiden lassen. Sollten rechtliche Auseinandersetzungen gleichwohl unvermeidbar sein, empfiehlt sich angesichts der Komplexität der Materie sicherlich anwaltlicher Rat.

Der Beitrag ist etwas ausführlicher abgedruckt in der Ausgabe 12/2018 des Magazins KOMMUNAL.

Ansprechpartner

Janosch Neumann

Öffentliches Recht und Vergabe, Bauen und Immobilien

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