Fallstricke beim Unternehmenskauf

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 26.09.2018 (VIII ZR 187/17) seine ständige Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Sachmängel- und Rechtsmängelgewährleistungsrecht beim Erwerb von Geschäftsanteilen an einem Unternehmen bestätigt. So weit, so gut. Aus juristischer Sicht nichts Besonderes. Der zu Grunde liegende Sachverhalt ist jedoch ein Lehrbeispiel dafür, welche Probleme beim Unternehmenskauf auftreten können:

Der Sachverhalt

In dem zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin, die bereits 50 % der Anteile an einer GmbH hielt, die weiteren 50 % der Geschäftsanteile von der Beklagten erworben. Für die Ermittlung des Kaufpreises für den weiteren Geschäftsanteil wurde eine Unternehmensbewertung bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Auftrag gegeben, die den Wert des Unternehmens mit 8.377.000,00 € ermittelte. Die Parteien des Geschäftsanteilskaufvertrages legten diese Bewertung zugrunde, so dass die Klägerin an die Beklagte 4.188.000,00 € als Kaufpreis zahlte. Der von den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag enthielt die üblichen Garantien auf das verkaufte Recht (Bestehen des Geschäftsanteils, keine Belastung mit Rechten Dritter, Einzahlung auf das Stammkapital), nicht aber über die weitere Beschaffenheit des Unternehmens. Weitere gesetzliche Gewährleistungsansprüche waren ausdrücklich ausgeschlossen.

Nach Erwerb des Geschäftsanteils durch die Klägerin stellte sich heraus, dass die Unternehmensbewertung grob falsch und das Unternehmen überschuldet war. Mit anderen Worten: Das Unternehmen war zum Zeitpunkt des Geschäftsanteilskaufes nichts wert und nach Auffassung der Klägerin hätte sie für den erworbenen Geschäftsanteil nichts zahlen müssen. Die Klägerin klagte gegen die Beklagte als Verkäuferin des Geschäftsanteils unter anderem auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Die Entscheidung der Vorinstanzen: Pech für den Kläger

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Zur Begründung der Klageabweisung hatte das Berufungsgericht angeführt, dass der Kauf des Geschäftsanteils nicht ein reiner Rechtskauf, sondern bei objektiver Betrachtung unter Heranziehung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als Sachkauf einzuordnen sei. Der Kaufvertrag erstrecke sich auf den Erwerb sämtlicher Anteile der unternehmenstragenden Gesellschaft, so dass die Käuferin die Verfügungsbefugnis über das gesamte Unternehmen erlangen würde und damit der Wille der Parteien auf den Kauf des Unternehmens als Ganzes gerichtet sei. Die mangelhafte Bonität des Unternehmens, im vorliegenden Fall die Überschuldung, sei auch als Sachmangel im Sinne der §§ 434 ff. BGB einzuordnen. Die Sachmangelhaftung hätten jedoch die Parteien wirksam in dem Geschäftsanteilskaufvertrag ausgeschlossen, so dass die Klägerin keine Sachmängelansprüche in Bezug auf die Rückgewähr des gezahlten Kaufpreises geltend machen könne. Die Anwendung des Institutes des Wegfalls der Geschäftsgrundlage käme nicht in Betracht, auch wenn beide Parteien irrtümlicherweise von einem erheblichen Unternehmenswert des Unternehmens ausgegangen seien. Die Anwendung dieses Rechtsinstitutes scheide aus, wenn Gewährleistungsansprüche zur Anwendung kommen, was vorliegend der Fall sei.

Das Urteil des BGH - Noch nicht!

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes war die Einordnung des Berufungsgerichtes, den Erwerb des Geschäftsanteils nicht nur als einen Rechtskauf, sondern als Sachkauf einzuordnen, fehlerhaft, weil die Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit zur Einordnung eines Geschäftsanteilskaufs als Sachkauf aufgestellt hatte, im vorliegenden Fall nicht gegeben seien. Dabei hat der Bundesgerichtshof maßgeblich darauf abgestellt, dass die Erwerberin, also die Klägerin, bereits 50 % der Geschäftsanteile des Unternehmens hielt, so dass es sich im Ergebnis nicht um einen Unternehmenskauf gehandelt habe, sondern um einen reinen Anteilskauf. Auf diesen Anteilskauf sei nur das Rechtsmängelgewährleistungsrecht, nicht jedoch das Sachmängelgewährleistungsrecht anzuwenden. Auf Rechtsmängel des gekauften Geschäftsanteiles könne sich jedoch die Klägerin nicht berufen und derartige Mängel seien auch in dem Prozess nicht vorgetragen worden.

Allerdings sei durch die Einordnung des Anteilskaufs als reiner Rechtskauf nunmehr der Anwendungsbereich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB eröffnet. Da im vorliegenden Fall kein Rechtsmangel des verkauften Geschäftsanteils vorliege, könne auch das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht ausgeschlossen sein. Dies führe dazu, dass möglicherweise der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises unter Anwendung des Rechtsinstitutes des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt sei, was das Berufungsgericht im Rahmen der Zurückweisung aufzuklären habe.

Bewertung des Urteils

Das Urteil des Bundesgerichtshofes führt zu dem objektiv überraschenden Ergebnis, dass, wenn im vorliegenden Fall ein außenstehender Dritter alle Geschäftsanteile erworben hätte, der Käufer keinen Anspruch gegen den oder die Verkäufer gehabt hätte, weil in diesem Fall der Geschäftsanteilskauf als Sachkauf einzuordnen gewesen wäre, für den wiederum wirksam Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen wurden. Der Erwerber könnte sich in diesem Fall weder auf das Sachmängelgewährleistungsrecht noch auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage stützen. Wenn allerdings ein Rechtskauf vorliegt, weil der Erwerber nicht sämtliche Anteile oder eine Mehrheitsbeteiligung erwirbt, kann er quasi durch die Hintertür über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Vertragsanpassung oder sogar die gesamte Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen. Im Ergebnis ist dies alles eine Frage der Vertragsgestaltung.

Aufgrund der Vielzahl der möglichen Fallkonstellationen ist daher in der Praxis sowohl auf Verkäufer-, als auch auf der Käuferseite auf eine äußerst sorgfältige Vertragsgestaltung beim Unternehmenskauf zu achten. Ansonsten kann dies zu ausufernden und kostenintensiven Streitereien zwischen allen Beteiligten führen, im vorliegenden Fall also zwischen dem Käufer und Verkäufer, der Wirtschaftsprüfergesellschaft, die die ursprüngliche Unternehmensbewertung abgegeben hat und den eventuell auch den jeweiligen Rechtsberatern der Parteien.

Das Urteil bestätigt aber auch die Erfahrung in der Praxis, dass Gutachten zur Unternehmensbewertung extreme Differenzen aufweisen können, auch unabhängig von etwaigen Bewertungsfehlern, wie im vorliegenden Fall.

Ansprechpartner

Dr. Andreas Schröder

Wirtschaft und Finanzen, Isolvenzen und Sanierungen

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