Einwegkunststoffe: Zahlreiche rechtliche Neuregelungen am 03. Juli in Kraft getreten

Am 03. Juli 2021 sind zahlreiche rechtliche Neuregelungen zu Einwegkunststoffen in Kraft getreten, die der Umsetzung der sog. EU-Einwegkunststoffrichtlinie dienen. Konkret geht es um die neue Einwegkunststoffverbotsverordnung und die neue Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung sowie diverse Änderungen im Verpackungsgesetz. Einige der Neureglungen treten erst nach einer Übergangszeit in Kraft. Wir stellen die wesentlichen Änderungen vor.

Hintergrund der Neuregelungen

Die am 03. Juli 2021 in Kraft getretenen Rechtsänderungen zu Einwegkunststoffen dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt vom 05.06.2019, in Kurzform: EU-Einwegkunststoffrichtlinie. Die EU-Einwegkunststoffrichtlinie ist am 02.07.2019 in Kraft getreten und gewährte den Mitgliedstaaten für die Umsetzung in nationales Recht eine Frist von zwei Jahren, also bis zum 03.07.2021, was das Inkrafttreten der Neuregelungen gerade an diesem Tag erklärt.

Ziel der Richtlinie ist eine bessere Bewirtschaftung von Kunststoff als Ressource, um so zu einer Erhöhung der Wertschöpfung aus Kunststoffprodukten sowie zur Vermeidung von Ressourcenverschwendung zu gelangen. Aus der Erkenntnis heraus, dass in der EU jährlich rund 26 Mio. t Kunststoffabfälle anfallen, die Recyclingquote lediglich rund 30 % beträgt und der Anteil von Kunststoffen an Meeresabfällen bei etwa 85 % liegt, davon ca. 50 % Einwegkunststoffe, soll die Einwegkunststoffrichtlinie zudem zu einer Reduzierung der Umweltverschmutzung durch Plastikmüll sowie zur Minderung dessen schädlicher Auswirkungen auf den Menschen beitragen.

Einwegkunststoffverbotsverordnung

Der Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie in deutsches Recht dient zunächst die am 03. Juli in Kraft getretene Einwegkunststoffverbotsverordnung (Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens von bestimmten Einwegkunststoffprodukten und von Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff vom 20.01.2021). Verboten ist demnach mit sofortiger Wirkung, also ohne Übergangsfrist, das Inverkehrbringen folgender Einwegkunststoffprodukte:

  • Wattestäbchen,
  • Besteck, insbesondere Gabeln, Messer, Löffel und Essstäbchen,
  • Teller,
  • Trinkhalme,
  • Rührstäbchen,
  • Luftballonstäbe,
  • Lebensmittelbehälter zum Sofortverzehr (Fast-Food- und To-Go-Verpackungen) aus Styropor,
  • Getränkebehälter und Getränkebecher aus Styropor sowie
  • Produkte aus oxo-abbaubarem Kunststoff.

Die Verbote gelten unabhängig davon, ob ein Einwegkunststoffprodukt im Sinne des Verpackungsgesetzes eine Verpackung ist oder nicht.

Verboten und bußgeldbewehrt bis zu 100.000 € ist ausschließlich die erstmalige Bereitstellung auf dem EU-Markt; adressiert werden hingegen nicht die weiteren Vertriebsstufen. Dies führt dazu, dass der Abverkauf von Lagerbeständen weiterhin zulässig bleibt, nicht aber das Inverkehrbringen neuer Einwegkunststoffprodukte der o.g. Art nach dem 03. Juli 2021 innerhalb der EU. Die Produktion und anschließende Vermarktung außerhalb der EU wird nicht tangiert.

Die EU geht davon aus, dass für die betroffenen Einwegkunststoffprodukte bereits jetzt eine Substitution durch erschwingliche plastikfreie Alternativen möglich ist, wie z.B. aus Holz oder Papier.

Änderung des Verpackungsgesetzes

In Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie wurde auch das Verpackungsgesetz an verschiedenen Stellen geändert (Gesetz zur Umsetzung der Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie im Verpackungsgesetz und in anderen Gesetzen vom 06.05.2021); für einige der Änderungen gilt allerdings eine Übergangszeit.

Aus Sicht der Gastronomie besonders bedeutsam ist insoweit zunächst die Einfügung der beiden neuen §§ 33 und 34 in das Verpackungsgesetz. Dadurch wird die Pflicht zum Angebot von Mehrwegalternativen zu Einwegkunststoffverpackungen für Lebensmittel zum Sofortverzehr, also To-Go- und Fast-Food-Verpackungen aus Einwegkunststoff, implementiert. Nach Ablauf einer Vorbereitungszeit müssen demnach ab dem 01.01.2023 Letztvertreiber von Einwegkunststoffverpackungen für Lebensmittel zum Sofortverzehr und von Einweggetränkebechern, also z.B. Imbisse, Schnellrestaurants und Gaststätten, die ihre Waren – wie üblich – erst vor Ort in die jeweilige Verpackung füllen, die Waren auch in Mehrwegverpackungen zum Verkauf anbieten.

Zu beachten ist, dass die Angebotspflicht einer Mehrwegalternative für Einweggetränkebecher unabhängig davon gilt, ob diese aus Kunststoff bestehen oder nicht. Es handelt sich dabei um eine über die Einwegkunststoffrichtlinie hinausgehende Umsetzung in deutsches Recht, weil der deutsche Gesetzgeber eine reine Substitution durch Pappbecher, die nicht weniger zur Vermüllung der Umwelt beitragen, verhindern möchte. Für Lebensmittelverpackungen gilt die Angebotspflicht einer Mehrwegalternative hingegen nur anstelle von Einwegkunststofflebensmittelverpackungen.

Zu beachten ist ferner, dass der Begriff der Einwegkunststoffverpackung nicht voraussetzt, dass die jeweilige Verpackung vollständig aus Kunststoff besteht; es genügt, dass die Verpackung in Teilen Kunststoff beinhaltet. Nach den Auslegungshinweisen der EU-Kommission (Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften für Einwegkunststoffartikel) kann bereits eine Beschichtung mit geringen Mengen an Kunststoff ausreichen. Eine bestimmte Höhe des Kunststoffanteils ist nicht maßgeblich.

Inhalt der Angebotspflicht ist, dass am Ort des Inverkehrbringens, also etwa im Restaurant, auch Mehrwegverpackungen zum Verkauf angeboten werden müssen. Es muss sich dabei um ein echtes Alternativangebot handeln, das dem Erwerber die Wahl lässt. Daher ist es nicht zulässig, die Waren in einer Einwegkunststoffverpackung zum Verkauf vorzuhalten und diese nur auf Wunsch des Käufers umzufüllen. Ferner darf die Ware in einer Mehrwegverpackung nicht zu einem höheren Preis oder zu schlechteren Konditionen angeboten werden. Das beginnt damit, dass Einwegvarianten mit einem bestimmten Fassungsvermögen bzw. einem bestimmten Inhalt mit demselben Fassungsvermögen bzw. Inhalt auch als Mehrwegalternative angeboten werden müssen. Darüber hinaus darf bei der Einwegvariante keine größere Angebotsvielfalt herrschen und dürfen nicht nur für die Einwegalternative besondere Treue- oder Bonussysteme vorgesehen sein. Ein Pfand als Anreiz zur Rückgabe der Mehrwegverpackung ist allerdings zulässig, solange die Höhe des Pfandes keine abschreckende Wirkung entfaltet. Insgesamt geht es um eine möglichst freie Entscheidung des Endverbrauchers ohne Nachteile.

Flankiert wird die Angebotspflicht durch eine Hinweispflicht gegenüber den Endverbrauchern (deutlich sicht- und lesbare Informationstafeln oder -schilder in der Verkaufsstelle, bei Lieferservice Hinweis auf der Internetseite) und durch eine Rücknahmepflicht hinsichtlich der selbst in Verkehr gebrachten Mehrwegverpackungen. Auch zur Rücknahmepflicht gilt eine korrespondierende Hinweispflicht gegenüber den Endverbrauchern. Die freiwillige Teilnahme an einem übergreifenden Mehrwegsystem ist für jeden Letztvertreiber möglich und zulässig.

Erleichterungen gelten für kleine Unternehmen mit nicht mehr als fünf Beschäftigten und nicht mehr als 80 qm Verkaufsfläche. Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Teilzeitbeschäftigte werden anteilig berücksichtigt. Bei einem Lieferservice gelten als Verkaufsfläche auch Lager- und Versandflächen. Die Erleichterung besteht darin, dass kleine Unternehmen anstelle des Angebots von Mehrwegalternativen anbieten können, ihre Waren in vom Endverbraucher selbst mitgebrachte Mehrwegbehältnisse abzufüllen. Auch insoweit gilt das Schlechterstellungsverbot gegenüber Einwegalternativen und die Hinweispflicht. Die kleinen Unternehmen müssen von dieser Erleichterung keinen Gebrauch machen und können stattdessen selbst Mehrwegalternativen anbieten. Andersherum können aber auch größere Unternehmen das Befüllen von mitgebrachten Behältnissen ermöglichen. Wichtig ist auch hier, dass kein Umfüllen aus Einwegkunststoffverpackungen in das mitgebrachte Behältnis erfolgen darf. Außerdem muss es sich bei der vom Endverbraucher mitgebrachten Verpackung um ein Mehrwegbehältnis handeln.

Verstöße gegen die vorbeschriebenen neuen Pflichten sind bußgeldbewehrt mit einer Geldbuße bis zu 10.000 €. Zu beachten ist auch, dass Mehrwegverpackungen nach der zum 03. Juli 2021 in Kraft getretenen Änderung des Verpackungsgesetzes nunmehr bei der Zentralen Stelle registrierungspflichtig sind. Diese weitere Änderung des Verpackungsgesetzes ist zwar nicht auf die Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie zurückzuführen, wirkt sich aber auf die Angebotspflicht für Mehrwegalternativen aus.

Folgende weitere am 03. Juli 2021 in Kraft getretene Änderungen des Verpackungsgesetzes beruhen auf der Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie. Wir geben einen Überblick:

  • Es gilt künftig zum Zwecke des Recyclings eine Getrenntsammlungsquote für Einwegkunststoffgetränkeflaschen in Höhe von mindestens 77 Masseprozent ab dem 01.01.2025 und von mindestens 90 Masseprozent ab dem 01.01.2030.
  • PET-Einwegkunststoffgetränkeflachen müssen ab dem 01.01.2025 einen Mindestrezyklatanteil in Höhe von 25 Masseprozent aufweisen. Ab dem 01.01.2030 müssen sämtliche Einwegkunststoffgetränkeflaschen einen Mindestrezyklatanteil in Höhe von 30 Masseprozent aufweisen.
  • Ab dem 01.01.2022 wird die Pfandpflicht auf alle Einwegkunststoffgetränkeflaschen und Getränkedosen erweitert; Milcherzeugnisse werden erst ab 2024 einbezogen. Bereits im Verkehr befindliche Flaschen und Dosen dürfen bis zum 01.07.2022 pfandfrei weiter vertrieben werden.

Einwegkunststoffgetränkeflaschen in diesem Sinne sind Getränkeverpackungen in Flaschenform, einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel, mit einem Füllvolumen von bis zu 3,0 Litern, die zugleich die Voraussetzungen einer Einwegkunststoffverpackung erfüllen. Flaschen mit einem Füllvolumen von mehr als 3,0 Litern, die üblicherweise nicht an Endverbraucher abgegeben werden, sind also nicht erfasst.

Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung

Nicht zuletzt ist am 03. Juli 2021 die Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung (Verordnung über die Beschaffenheit und Kennzeichnung von bestimmten Einwegkunststoffprodukten vom 24.06.2021) in Kraft getreten. Die Einwegkunststoffrichtlinie sieht vor, dass bestimmte Einwegkunststoffprodukte hinsichtlich angemessener Entsorgungsmöglichkeiten, Kunststoffinhalten und negativen Umweltauswirkungen bei unsachgemäßer Entsorgung zu kennzeichnen sind.  Dies betrifft u.a. Hygieneeinlagen (Binden), Tampons, Feuchttücher, Tabakprodukte mit Filtern und Getränkebecher. In der Durchführungsverordnung (EU) 2020/2151 vom 17.12.2020 hat die EU-Kommission detaillierte Ausführungsbestimmungen zum Inhalt sowie zur Art und Weise der Kennzeichnung erlassen. Damit werden auch neue Warnsymbole implementiert. Diese Vorgaben werden durch die Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung in nationales Recht umgesetzt. Zuwiderhandlungen können mit bis zu 100.000 € Bußgeld geahndet werden.

Nicht zuletzt enthält die Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung in Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie neue Vorgaben für das Produktdesign von Getränkebehältern. So dürfen Getränkebehälter mit einem Füllvolumen von bis zu 3,0 Litern, bei denen es sich um Einwegkunststoffprodukte handelt und deren Verschlüsse oder Deckel ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehen, ab dem 03. Juli 2024 nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn die Verschlüsse oder Deckel während der vorgesehenen Verwendungsdauer am Behälter befestigt bleiben. Hintergrund dieser Regelung ist, dass trotz Bepfandung der Flasche als solcher häufig deren Deckel und Verschlüsse aus Kunststoff zur Vermüllung der Umwelt führen. Ausnahmen gelten u.a. für Getränkebehälter aus Glas oder Metall mit Verschlüssen oder Deckeln aus Kunststoff. Auch diese Neuregelung adressiert das erstmalige Bereitstellen auf dem EU-Markt und richtet sich damit primär an die Hersteller, was angesichts der statuierten Vorgaben für das Produktdesign konsequent ist. Zuwiderhandlungen sind mit bis zu 100.000 € bußgeldbewehrt.

Fazit

Mit den am 03. Juli 2021 in Kraft getretenen Regelungen hat Deutschland die Einwegkunststoffrichtlinie pünktlich umgesetzt. Die Umsetzung erfolgte weitgehend 1 zu 1. Ein größerer Umsetzungsspielraum bestand – etwa bezogen auf die Vermarktungsverbote – ohnehin nicht. Etwas unglücklich erscheint die Transformation der Richtlinie in nationales Recht im Wege von drei Einzelrechtsakten. Möglicherweise wäre der Erlass eines nationalen Einwegkunststoffgesetzes schlüssiger und verständlicher gewesen. Die Umsetzung der Reglungen betreffend Verpackungen durch eine Änderung des Verpackungsgesetzes ist allerdings systematisch konsequent. Die Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeteiligten dürften tiefgreifend sein; die Überlegungen zur Substitution von Einwegkunststoffen sind in den verschiedensten Bereichen in vollem Gang.

 

 

Rechtsanwalt Janosch Neumann hat am 18. Juni 2021 im Rahmen eines Online-Seminars („Einwegkunststoffe 2.0“) für die IHK zu Düsseldorf und den Verein zur Förderung der Abfallwirtschaft (AWRRW) e.V. den neuen rechtlichen Rahmen zum Einsatz von Einwegkunststoffen vorgestellt. Die Vortragsfolien haben wir Ihnen mit diesem Beitrag zum Download bereitgestellt.

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