Corona und kein Ende? – Zur persönlichen Haftung und Verantwortung von Führungskräften in Unternehmen

Eine wesentliche Aufgabe der Politik besteht darin, Zielkonflikte angemessen zu lösen. Dies stellt gerade mit Rücksicht auf die aktuelle Pandemie und die mit ihr verbundenen Begleitschäden eine besondere Herausforderung dar. Der Stufenplan, den die MinisterpräsidentInnen gemeinsam mit der Bundeskanzlerin am 03.03.2021 beschlossen haben, soll dem gerecht werden. Ob dies gelingt, ist ungewiss und bleibt abzuwarten. Zumindest darin sind sich die Beteiligten einig.

Nach dem Beschluss gibt es seit letzter Woche eine vorsichtige Öffnung weniger Bereiche. Weitere sollen nächste Woche folgen, was aber von der sodann aktuellen Inzidenz abhängig ist. Selbst die schon getätigten Öffnungsschritte stehen unter dem Vorbehalt der Rücknahme. Vorrangig bleibt das Ziel, eine exponentielle Ausbreitung von Erkrankungen mit dem Coronavirus und eine damit unter Umständen korrespondierende Überbelastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Der Vorsicht liegt die Erkenntnis zugrunde, dass insbesondere die sog. britische Mutante auf dem Vormarsch ist und ein Impfangebot für die gesamte Bevölkerung voraussichtlich erst im Sommer möglich sein wird.

Vor dem Hintergrund ist nicht nur das öffentliche und private Leben insoweit betroffen, sondern weiterhin auch die gesamte Arbeitswelt. Dies stellt gerade die Führungskräfte in den Unternehmen vor weitreichende Aufgaben. Hierbei geht es aber nicht nur darum, verschiedene Schutzmaßnahmen zugunsten einer möglichst ungestörten Wertschöpfung in den Betrieben umzusetzen. Vielmehr sind hiermit auch und insbesondere Rechtspflichten dieses Personenkreises verbunden, deren Verletzung empfindliche Konsequenzen haben kann.

Arbeitsschutz in Zeiten der Pandemie

Die innerbetriebliche Abwehr von Gefahren, die aus der aktuellen Pandemie resultieren, ist gelebter Arbeitsschutz. Dieser erfährt eine grundlegende Regelung im Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (ArbSchG). Danach sind ArbeitgeberInnen verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Zudem sind die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen.

Hierzu gehört obligatorisch auch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung, was dementsprechend zu dokumentieren ist. Die beschriebenen Pflichten zugunsten eines effektiven Arbeitsschutzes gelten ganz allgemein und nicht spezifisch während der Pandemie, sie erfahren durch diese aber eine besondere Bedeutung und auch Konkretisierung. Hierbei rückt zunächst das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) in den Mittelpunkt.

Der Deutsche Bundestag hat nämlich am 04.03.2021 dem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung im Hinblick auf § 5 IfSG zugestimmt. Demgemäß wurde die Fortgeltung der schon zuvor erfolgten „Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ beschlossen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass der Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß § 18 Abs. 3 ArbSchG die in der Konferenz mit der Bundeskanzlerin am 03.03.2021 getroffenen Beschlüsse durch eine entsprechende Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates für einen befristeten Zeitraum erlassen kann.

Die entsprechende Möglichkeit wurde erst durch eine Änderung des Arbeitsschutzgesetzes mit dem Ziel geschaffen, insbesondere für eine weitergehende Kontakt- und Infektionsreduktion in der Arbeitswelt Sorge zu tragen. Die darauf basierende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung soll nach Maßgabe der Beschlüsse in der Konferenz am 03.03.2021 über die zunächst bis zum 15.03.2021 geltende Befristung hinaus nunmehr bis zum 30.04.2021 fortgelten. Dies gilt zumindest bis auf Weiteres. Denn eine erneute Verlängerung wäre mit Rücksicht auf die dargestellte Änderung von § 5 IfSG rechtlich möglich und bleibt tatsächlich im Lichte des Infektionsgeschehens abzuwarten.

Die wesentlichen von Arbeitgeberseite zu beachtenden Punkte in dem Zusammenhang sind derzeit folgende:

  • Pflicht zur Unterbreitung eines Homeoffice-Angebots, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen,
  • freie Entscheidung der Beschäftigten für oder gegen die Möglichkeit, Homeoffice zu nutzen,
  • gleichwertiger Schutz aller im Betrieb tätigen Personen (Lüften, Abtrennungen usw.),
  • Reduzierung von Zusammenkünften mehrerer Personen auf ein betriebsnotwendiges Minimum,
  • bei Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten: Möglichst kleine, stets gleiche Arbeitsgruppen, die jeweils zeitversetzt tätig sind,
  • bei 2 und mehr Beschäftigten im Raum: Mindestens 10 m² Fläche pro Person, sofern die Tätigkeit dies zulässt, ansonsten zumindest gleichwertiger Schutz wie z.B. durch Abtrennungen,
  • Bereitstellung und Pflicht zur Nutzung medizinischer Masken, wenn ein Abstand von 1,5 m oder die Einhaltung anderer o.g. Vorgaben nicht möglich ist.

Verantwortliche Personen

Verantwortlich für die Erfüllung der einzelnen Schutzpflichten sind zunächst und zwangsläufig die ArbeitgeberInnen selbst. Den Normenvollzug haben daher in kleineren Betrieben deren jeweiligen InhaberInnen persönlich sicherzustellen. Die Ausgangslage ist bereits dann eine andere, wenn es sich um eine juristische Person handelt und nicht um eine natürliche. Hinzu kommt, dass solche Unternehmen häufig durch größere Betriebsstrukturen gekennzeichnet sind, in denen verschiedene Personen jeweils wichtige Aufgaben mit den ihnen unterstellten MitarbeiterInnen erfüllen.

In einer solchen praxisnahen Konstellation nimmt in erster Linie das vertretungsberechtigte Organ der juristischen Person die Arbeitgeberfunktionen wahr. Denn die Gesellschaft allein ist nicht handlungsfähig, sondern sie bedarf hierzu der Vertretung durch eine oder mehrere natürliche Personen. Eben deshalb sind GeschäftsführerInnen und Vorstände der Gesellschaften vorrangig die Normadressaten gesetzlicher Arbeitsschutzmaßnahmen. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG haben jedoch auch solche Personen für die Umsetzung des obligatorischen Arbeitsschutzes zu sorgen, die für die Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes zuständig sind, ohne selbst Mitglied der Geschäftsführung oder des Vorstands zu sein.

Dabei handelt es sich vom Status also um ArbeitnehmerInnen, wobei sich deren Verantwortlichkeit für den Arbeitsschutz nach dem Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse bestimmt. Soweit deren entsprechende Zuständigkeit reicht, ist damit die persönliche Verantwortlichkeit von Gesetzes wegen originär und bedarf keiner gesonderten Beauftragung. Dies entbindet aber die GeschäftsführerInnen und Vorstände einer juristischen Person nicht davon, eine dem Arbeitsschutz gerecht werdende Auswahl dieser Personen zu treffen und die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zu überwachen.

Darüber hinaus kann auch sonstigen Personen gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG die Wahrnehmung von gesetzlichen Aufgaben des Arbeitsschutzes übertragen werden, für die ansonsten die organschaftliche Vertretung oder die ArbeitnehmerInnen mit Leitungsfunktion nach Maßgabe der dargestellten Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG zuständig sind. Erforderlich ist hierzu jedoch nicht nur der Nachweis, dass es sich im Einzelfall um eine zuverlässige und fachkundige Person handelt, sondern auch, dass diese ausdrücklich dementsprechend beauftragt wurde, weshalb insoweit ein gesetzliches Schriftformerfordernis besteht. Die Verantwortlichkeit dieser Personen resultiert folglich anders als bei denjenigen im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG nicht bereits aus ihrer individualrechtlich begründeten Position als solcher heraus, sondern erst aus der gesonderten Mandatierung.

Eine Parallele besteht jedoch insoweit, als auch eine solche Beauftragung nicht davon entbindet, die sachgerechte Aufgabenerfüllung durch diese Personen und damit die Sicherstellung des gesetzlichen Arbeitsschutzes zu überwachen. Zudem ist eine entsprechende Beauftragung von Arbeitgeberseite sogar obligatorisch vorzunehmen, wenn ansonsten etwa aufgrund der Betriebsgröße oder der Betriebsstruktur keine ordnungsgemäße Erfüllung der bestehenden Arbeitgeberpflichten im Hinblick auf den Arbeitsschutz zu gewährleisten ist.

Aus alldem resultiert letztlich eine Kaskadenstruktur der Verantwortlichen beim Arbeitsschutz. Die ArbeitgeberInnen treffen durch ihre Organe die erforderlichen Grundsatzentscheidungen und delegieren Aufgaben des Arbeitsschutzes durch eine sachgerechte Verteilung der Leitungsfunktionen an Führungskräfte, die ihrerseits eben deshalb originär Verantwortung tragen, dennoch aber hinsichtlich der Aufgabenerfüllung zu kontrollieren sind. Diese Personen wiederum haben eine vergleichbare Funktion und Verpflichtung, etwaig beauftragte MitarbeiterInnen im Sinne des § 13 Abs. 2 ArbSchG nach einer zunächst erforderlichen gesetzeskonformen Auswahl in einer ihrem Pflichtenkreis angemessenen Weise zu überwachen.

Sanktionen bei Missachtung

Neben dem Unternehmen selbst können die dort tätigen Personen bei Verstößen gegen den Arbeitsschutz auch persönlich durch Sanktionen betroffen sein. Dies gilt für Vorstandsmitglieder, GeschäftsführerInnen und angestellte Führungskräfte mit entsprechender Leitungsfunktion. Aber auch diejenigen Personen, die für den Arbeitsschutz im Betrieb keine originäre Verantwortung tragen, zumindest aber im Hinblick auf Teilbereiche beauftragt wurden, drohen Sanktionen. Hierzu bedarf es noch nicht einmal eines letztlich eingetretenen Schadens.

In dem Zusammengang geht es zum einen um arbeitsrechtliche Konsequenzen, die das Arbeitsverhältnis als solches betreffen. Hierzu gehören etwa die Abmahnung, der Aufgabenentzug oder die Versetzung, wenn originär oder beauftragte ArbeitnehmerInnen gegen deren Pflichten im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz verstoßen haben. Dies kann im Einzelfall bis zu dem berechtigten Ausspruch einer ordentlichen oder gar außerordentlichen und damit fristlosen Kündigung führen. In einer grundsätzlich vergleichbaren Weise sind insoweit auch Vorstandsmitglieder und GeschäftsführerInnen betroffen, wobei sich einige Besonderheiten aus ihrer spezifischen Stellung als organschaftliche Vertreter ergeben. Hierzu gehört beispielsweise, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung das ansonsten prinzipiell bestehende Erfordernis einer vergeblichen Abmahnung vor dem Ausspruch einer Kündigung zu Lasten von GeschäftsführerInnen anders gewichtet als dies im Hinblick auf ArbeitnehmerInnen der Fall ist, selbst wenn diese eine leitende Funktion haben.

Zum anderen geht es um den Ersatz des Schadens, der aus einem Verstoß gegen die obligatorischen Bestimmungen des Arbeitsschutzes resultiert. Dies gilt jedenfalls außerhalb der Beschränkungen, die zugunsten von Unternehmen und ihrer MitarbeiterInnen in den §§ 104 ff. SGB VII geregelt sind. Demgemäß kommt eine persönliche Haftung für Sachschäden, Körperschäden oder etwa für solche Schäden in Betracht, die aus einem durch die Verletzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes verursachten Produktionsausfall resultieren, was zwangsläufig eine wirtschaftlich ganz erhebliche Dimension erreichen kann. Hinzu kommt beispielweise die gesetzliche Pflicht, Schmerzensgeld an diejenigen Personen leisten zu müssen, die durch einen Verstoß gegen den obligatorischen Arbeitsschutz gesundheitlich zu Schaden gekommen sind.

Schließlich ist auch eine persönliche Verantwortung nach Maßgabe des Ordnungswidrigkeitenrechts und des Strafrechts möglich. Das Arbeitsschutzgesetz selbst verfügt in den §§ 25 f. über einschlägige Tatbestände. Darüber hinaus können staatsanwaltschaftliche Ermittlungen auch mit Rücksicht auf das Strafgesetzbuch einzuleiten sein, wenn etwa der Anfangsverdacht besteht, dass eine Körperverletzung oder gar eine fahrlässige Tötung durch eine für den Arbeitsschutz im Unternehmen verantwortliche Person verursacht wurde. Für die Betroffenen kann es sich dann als glücklicher Umstand erweisen, wenn zumindest die Kausalität des festgestellten Pflichtverstoßes für den Eintritt eines konkreten körperlichen Schadens letztlich nicht nachzuweisen ist.

Fazit

Der gesetzlich obligatorische Arbeitsschutz ist von zentraler Bedeutung für alle Unternehmen und die dort verantwortlich handelnden Personen. Dementsprechend erfährt das Thema in der Praxis auch regelmäßig eine professionelle Aufmerksamkeit. Zwangsläufig gibt es in Zeiten der Pandemie spezifische Herausforderungen, die aber nur einen kleinen, wenn auch wichtigen Teilbereich darstellen. Der Arbeitsschutz ist eine umfassende Aufgabe und permanente zugleich.

Dem Verfasser sind zahlreiche Unternehmen bekannt, die den Arbeitsschutz als TOP 1 in jeder ihrer Vorstands- und Geschäftsführersitzungen behandeln. Dabei geht es einmal um die Beachtung einer selbstverständlichen Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft. Auch die erhebliche betriebswirtschaftliche Betroffenheit, die aus einer Verletzung des Arbeitsschutzes resultieren kann, spricht für ein normgerechtes Verhalten. Letztlich sprechen hierfür aber auch die finanziellen oder gar strafrechtlichen Folgen, die jede Person in einem Unternehmen treffen können, die an ihrem jeweiligen Platz auch für den Arbeitsschutz Verantwortung trägt und dieser Verantwortung nicht gerecht wird.

Ansprechpartner

Dr. Uwe Julius Faustmann

Arbeits- und Dienstvertragsrecht, Insolvenzen und Sanierungen, Wirtschaft und Finanzen

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