Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist am 29.10.2020 in Kraft getreten
Das Gesetz zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union vom 23.10.2020 wurde am 28.10.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 29.10.2020 in Kraft getreten. Zuvor hatte der Bundestag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit den Änderungsempfehlungen des Umweltausschusses am 17.09.2020 zugestimmt. Der Bundesrat hat am 09.10.2020 entschieden, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bringt zahlreiche Neuerungen mit sich, auf die die Praxis sich einstellen muss. Mit diesem Beitrag wollen wir einige der wesentlichen Änderungen vorstellen.
Hintergrund
Die aktuelle Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes dient im Kern der Umsetzung der am 04.07.2018 in Kraft getretenen, novellierten EU-Abfallrahmenrichtlinie, deren Änderungen als Teil des EU-Kreislaufwirtschaftspaketes bis zum 05.07.2020 in nationales Recht umzusetzen waren. Der deutsche Gesetzgeber verfolgt hier eine Umsetzung des Unionsrechts, die die Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie möglichst 1 zu 1 in deutsches Recht transferiert. Darüber hinaus wird mit der Novelle eine ökologische Fortentwicklung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes angestrebt, die die teilweise über das bestehende EU-Recht hinausgehenden deutschen Umwelt- und Ressourcenschutzstandards beibehält. Nicht zuletzt setzt die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auch die EU-Einwegkunststoff-Richtlinie um, soweit es um Nicht-Verpackungen geht. Insoweit erfolgt die Umsetzung im Wege einzelner Verordnungsermächtigungen. Die Einwegkunststoff-Richtlinie ist am 02.07.2019 in Kraft getreten und bis zum 03.07.2021 in nationales Recht umzusetzen.
Im Einzelnen:
Recyclingquoten für Siedlungsabfälle
§ 14 Abs. 1 des geänderten Kreislaufwirtschaftsgesetzes bestimmt nunmehr folgende Quoten für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und für das Recycling von Siedlungsabfällen:
- spätestens ab 01.01.2020: mind. 50 Gewichts-%,
- spätestens ab 01.01.2025: mind. 55 Gewichts-%,
- spätestens ab 01.01.2030: mind. 60 Gewichts-%,
- spätestens ab 01.01.2035: mind. 65 Gewichts-%.
Bei diesen Quoten handelt es sich um sog. „Globalquoten“, die für die einzelnen Marktakteure inklusive Abfallerzeuger und Abfallbesitzer keine unmittelbar geltenden Pflichten erzeugen.
Auffällig ist, dass im Vergleich zur Quote nach dem bislang gültigen Kreislaufwirtschaftsgesetz in Höhe von 65 Gewichts-% (§ 14 Abs. 2 KrWG a.F.) auf den ersten Blick eine Herabsetzung zu verzeichnen ist (50 Gewichts-% gemäß § 14 Abs. 1 KrWG n.F.). Dieser Schein trügt allerdings, wenn man sich vor Augen führt, dass kraft europarechtlicher Vorgaben zugleich das Berechnungsverfahren für die Recyclingquote geändert worden ist (vgl. Art. 11a der novellierten AbfRRL und Durchführungsbeschluss (EU) 2019/1004 vom 07.06.2019). Demnach kommt es für die Quotenberechnung nun nicht mehr auf den Input in eine Sortieranlage an, sondern auf deren Output. Mit anderen Worten: Entscheidend für die Quotenberechnung ist die Abfallmenge, die der letztendlichen Verwertungsanlage zugeführt wird. Hieraus folgt eine indirekte Verschärfung der Recyclingquoten, was erklärt, warum die Quote nun nicht mehr 65, sondern 50 Gewichts-% beträgt.
Darüber hinaus enthält das KrWG nunmehr eine gesetzliche Definition des Siedlungsabfalls (§ 3 Abs. 5a KrWG n.F.). Demnach sind Siedlungsabfälle gemischt und getrennt gesammelte Abfälle aus privaten Haushaltungen, insbesondere Papier und Pappe, Glas, Metall, Kunststoff, Bioabfälle, Holz, Textilien, Verpackungen, Elektro- und Elektronik-Altgeräte, Altbatterien und Altakkumulatoren sowie Sperrmüll, einschließlich Matratzen und Möbel, sowie gemischt und getrennt gesammelte Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen, wenn diese Abfälle auf Grund ihrer Beschaffenheit und Zusammensetzung mit Abfällen aus privaten Haushaltungen vergleichbar sind. Bestimmte Abfälle, wie z.B. Produktionsabfälle oder Abfälle aus der Landwirtschaft, werden ausdrücklich aus dem Begriff der Siedlungsabfälle ausgenommen.
Zu beachten ist allerdings, dass diese Definition des Siedlungsabfalls von vornherein funktional eingeschränkt ist, also ausschließlich für die präzise Bestimmung der Recyclingquoten für Siedlungsabfälle anzuwenden ist. Dies führt auch dazu, dass nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf den Begriff der gewerblichen Siedlungsabfälle gemäß § 2 Nr. 1 der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) möglich sein werden.
Änderung des Verpackungsgesetzes
Im Zusammenhang mit den Recyclingquoten ist zudem darauf aufmerksam zu machen, dass das Gesetz zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie zugleich auch die Recyclingquoten für Verpackungen ändert, und zwar wie folgt:
- bis spätestens 31.12.2025: 65 Masse-% und
- bis spätestens 31.12.2030: 70 Masse-%.
Die Quoten für einzelne Verpackungsmaterialien werden wie folgt vorgegeben:
- bis spätestens 31.12.2025: Holz 25 %, Aluminium 50 %, Kunststoffe 50 %, Eisenmetalle 70 %, Glas 70 %, Papier und Karton 75 %;
- bis spätestens 31.12.2030: Holz 30 %, Aluminium 60 %, Kunststoffe 55 %, Eisenmetalle 80 %, Glas 75 %, Papier und Karton 85 %.
Die vorstehenden Quoten werden in der Regelung zu den abfallwirtschaftlichen Zielen des Verpackungsgesetzes nach § 1 Abs. 4 VerpackG ergänzt, sind also auch hier als „Globalquoten“ zu verstehen. Die von den Systemen zu erreichenden (strengeren) Quoten zur Vorbereitung zur Wiederverwendung und zum Recycling der bei ihnen beteiligten Verpackungen sind weiterhin in § 14 Abs. 2 VerpackG speziell geregelt.
Deponierungsquote
Flankierend zu den Recyclingquoten gemäß § 14 Abs. 1 KrWG n.F. wird in § 15 Abs. 4 KrWG n.F. bestimmt, dass die Ablagerung von Siedlungsabfällen auf Deponien spätestens ab dem 01.01.2035 höchstens 10 Gewichts-% des gesamten Siedlungsabfallaufkommens betragen darf. Die neue Definition des Siedlungsabfalls nach § 3 Abs. 5a KrWG n.F. gilt auch hier.
Änderung der Deponieverordnung
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass mit der Änderung der Deponieverordnung, die am 04.07.2020 in Kraft getreten ist, ein neuer § 7 Abs. 3 DepV eingeführt wurde. Demnach besteht ein grundsätzliches Ablagerungsverbot für verwertbare Abfälle auf Deponien, soweit nicht eine Ablagerung auf Deponien den Schutz von Mensch und Umwelt am besten oder in gleichwertiger Weise wie die Vorbereitung zur Wiederverwendung oder das Recycling gewährleistet. Der neue § 7 Abs. 3 DepV tritt allerdings erst am 01.01.2024 in Kraft.
Getrenntsammlungspflicht
Die Regelungen des bisherigen § 9 KrWG a.F. werden in zwei Paragraphen aufgeteilt (§ 9 und § 9a KrWG n.F.). Dabei werden die Regelungen zum Vermischungsverbot für gefährliche Abfälle, zu den Ausnahmen hiervon sowie zum Trennungsgebot bei unzulässiger Vermischung in § 9a überführt und ergänzt.
Gemäß § 9 Abs. 1 KrWG n.F. gilt auch nach dem geänderten Kreislaufwirtschaftsgesetz die allgemeine Getrenntsammlungspflicht für Verwertungsabfälle, die für alle Abfallerzeuger und Abfallbesitzer zur Anwendung kommt. Besondere Getrenntsammlungspflichten folgen für gewerbliche Siedlungsabfälle aus der GewAbfV und für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger aus § 20 Abs. 2 KrWG (dazu sogleich).
Die allgemeine Getrenntsammlungspflicht lautet sinngemäß: Soweit es zur Einhaltung der Abfallhierarchie und für eine hochwertige Verwertung erforderlich ist, sind Abfälle getrennt zu sammeln. Neu ist die ausdrückliche Formulierung von Anwendungsfällen in § 9 Abs. 3 KrWG n.F., bei denen eine Getrenntsammlung nicht erforderlich ist. Insofern wird die allgemeine Getrenntsammlungspflicht in § 9 Abs. 1 KrWG konkretisiert. Dies betrifft etwa Fälle, in denen durch eine gemeinsame Sammlung das Verwertungspotenzial nicht beeinträchtigt wird, und Fälle, in denen eine getrennte Sammlung den Schutz von Mensch und Umwelt nicht am besten gewährleistet. Eine getrennte Sammlung ist außerdem nicht erforderlich, wenn diese unter Berücksichtigung guter Praxis der Abfallsammlung technisch nicht möglich ist, wobei ein anspruchsvoller Standard der technischen Möglichkeit zugrunde zu legen ist. Die technische Möglichkeit besteht, solange ein rechtlich zulässiges und praktisch geeignetes Verfahren zur Durchführung einer vorrangigen Verwertungsmaßnahme zur Verfügung steht. Nicht erforderlich ist, dass dieses Verfahren bereits „Stand der Technik“ ist. Nicht zuletzt ist eine getrennte Sammlung nach § 9 Abs. 3 KrWG n.F. dann nicht erforderlich, wenn diese im Vergleich zur gemeinsamen Sammlung unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde. Bloße Mehrkosten genügen allerdings nicht. Die Schwelle zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit muss überschritten werden.
Laut Gesetzesbegründung sind die in § 9 Abs. 3 KrWG n.F. genannten Fallgruppen nicht abschließend, wobei sich der Gesetzesbegründung allerdings nicht eindeutig entnehmen lässt, welche weiteren Fälle eine getrennte Sammlung als nicht erforderlich erscheinen lassen.
Der neue § 9 Abs. 4 KrWG bestimmt die Voraussetzungen, unter denen mit dem Ziel der Vorbereitung zur Wiederverwendung oder zum Recycling getrennt gesammelte Abfälle ausnahmsweise einer energetischen Verwertung zugeführt werden dürfen.
Wie bisher gilt die allgemeine Getrenntsammlungspflicht gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 KrWG auch für Abfälle zur Beseitigung, wobei über den Verweis in § 15 Abs. 3 Satz 2 KrWG n.F. nunmehr auch die Regelbeispiele des § 9 Abs. 3 KrWG n.F. für eine ausnahmsweise nicht erforderliche Getrenntsammlung zur Anwendung kommen.
Getrenntbehandlungspflicht
In § 9 Abs. 1 KrWG n.F. wird zudem die allgemeine Getrenntbehandlungspflicht für Verwertungsabfälle beibehalten. § 15 Abs. 3 Satz 1 KrWG führt die entsprechende Regelung für Abfälle zur Beseitigung fort. Der jeweilige Erforderlichkeitsvorbehalt und die Regelbeispiele nach § 9 Abs. 3 KrWG n.F. gelten auch hier.
In § 9 Abs. 2 KrWG n.F. wird nunmehr für alle Verwertungsabfälle und über den Verweis in § 15 Abs. 3 Satz 2 KrWG auch für Beseitigungsabfälle klargestellt, dass im Rahmen der Behandlung gefährliche Stoffe, Gemische oder Bestandteile aus den Abfällen zu entfernen sind, soweit dies zur Einhaltung der Abfallhierarchie und für eine hochwertige Verwertung erforderlich ist. Für den Erforderlichkeitsvorbehalt gelten auch hier die neuen Fallgruppen des § 9 Abs. 3 KrWG n.F. Die entfernten gefährlichen Stoffe, Gemische oder Bestandteile sind nach den Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu verwerten oder zu beseitigen. Ein konkretes Abtrennungsverfahren wird nicht vorgegeben.
§ 9 Abs. 2 KrWG n.F. dient der Umsetzung von Art. 10 Abs. 5 der AbfRRl. Die dortige Regelung beschränkt sich, anders als die deutsche Umsetzung, allerdings auf gefährliche Abfälle. Der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass sich die entsprechende Pflicht auch für nicht gefährliche Abfälle bereits aus § 7 Abs. 3 KrWG ergibt, sodass im Sinne von Rechts- und Vollzugssicherheit bei der Formulierung von § 9 Abs. 2 KrWG n.F. keine Beschränkung auf gefährliche Abfälle statuiert worden ist.
Getrenntsammlungspflicht für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger
In § 20 Abs. 2 KrWG n. F. werden nunmehr sämtliche auch bisher bereits bestehenden Getrenntsammlungspflichten für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hinsichtlich in ihrem Gebiet in privaten Haushaltungen angefallener und ihnen überlassener Abfälle zusammengefasst. Dies betrifft zunächst Bioabfälle, Kunststoffabfälle, Metallabfälle, Papierabfälle und Glas. Für diese Fraktionen bestand auch nach dem bisher geltenden Recht seit dem 01.01.2015 grundsätzlich bereits eine Getrenntsammlungspflicht (vgl. § 11 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 KrWG a.F.). Insofern ergeben sich keine Änderungen zur bisherigen Rechtslage.
Neu ist die europarechtlich vorgegebene Getrenntsammlungspflicht hinsichtlich Textilabfällen und gefährlichen Abfällen, wobei diese Pflicht für Textilabfälle erst ab dem 01.01.2025 gilt. Die nach der Abfallrahmenrichtlinie vorgesehene Pflicht zur getrennten Sammlung von gefährlichen Abfällen gilt unmittelbar mit Inkrafttreten der Gesetzesänderungen, also seit dem 29.10.2020, obwohl europarechtlich eine Übergangsfrist bis zum 01.01.2025 besteht. Es handelt sich hier also um eine vorgezogene Umsetzung des Europarechts. Der Gesetzgeber ist der Auffassung, dass die bestehenden Sammelsysteme (z.B. anhand von Schadstoffmobilen) hinreichend leistungsfähig sind, um die Pflicht unmittelbar gelten zu lassen. Bei der Sammlung gefährlicher Abfälle ist sicherzustellen, dass keine Vermischung mit anderen Abfällen erfolgt.
Die getrennte Sammlung von Sperrmüll ist europarechtlich nicht vorgegeben. Insoweit verfolgt der deutsche Gesetzgeber ein eigenes Regelungskonzept, das der besonderen Wertigkeit dieses Abfallstroms vor dem Hintergrund einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft Rechnung trägt. Dies erklärt auch, dass die Sammlung in einer Weise zu erfolgen hat, welche die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling der einzelnen Bestandteile ermöglicht.
Insgesamt gibt § 20 Abs. 2 KrWG n.F. lediglich ein Mindestprogramm vor. Es steht den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern vor Ort also frei, darüber hinaus zu gehen.
Produktverantwortung
Ein Kernelement der Neuregelungen im Kreislaufwirtschaftsgesetz ist die Produktverantwortung (§§ 23 ff. KrWG). Hier geht es um eine Fortentwicklung nach Maßgabe der europarechtlichen Vorgaben, aber auch um das Setzen eigener Impulse. Außerdem wird im Rahmen der Produktverantwortung im Wege einzelner Verordnungsermächtigungen für Nicht-Verpackungen die EU-Einwegkunststoff-Richtlinie umgesetzt.
Unangetastet bleibt zunächst die Konzeption der Produktverantwortung als verursacherbezogene latente Grundpflicht, die erst im Wege spezifischer Gesetze und Verordnungen (VerpackG, ElektroG, BattG, AltölV, AltfahrzeugV) handhabbar gemacht wird. Es geht um die Vermeidung und hochwertige Verwertung von Abfällen sowie um die Förderung ressourceneffizienter, recyclingfähiger und umweltverträglicher Erzeugnisse als eigene finanzielle und organisatorische Verantwortung des Herstellers bzw. Erzeugers. Insofern werden im Rahmen der Neuregelung wichtige Aspekte ausdrücklich als Teil der Produktverantwortung aufgenommen, wie z.B. die Reparierbarkeit von Produkten, der vorrangige Einsatz von Rezyklaten bei der Herstellung, der Umgang mit kritischen Rohstoffen, die Förderung von Systemen zur Wiederverwendung und Reparatur sowie die Kostenbeteiligung von Herstellern bei der Reinigung der Umwelt.
Ob und wie diese Grundpflichten der Produktverantwortung in der Praxis umzusetzen sind, wird maßgeblich davon abhängen, ob und mit welchem Inhalt entsprechende Verordnungen oder Gesetze erlassen werden, die die Produktverantwortung weiter konkretisieren und für die Praxis erst vollzugsfähig machen. Mit der sog. Einwegkunststoffverbotsverordnung liegt ein erster Entwurf vor, der vor allem die Vermarktungsverbote aus der Einwegkunststoff-Richtlinie etwa für Wattestäbchen und Besteck aus Kunststoff und bestimmte Lebensmittelverpackungen aus Styropor, insbesondere für Fast Food und zum To Go-Verzehr, auf der Grundlage der Produktverantwortung in nationales Recht umsetzt. Das Inkrafttreten ist für den 03.07.2021 vorgesehen. Mit Blick auf den neuen EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vom 11.03.2020 zeichnet sich zudem eine stärkere Orientierung der kreislaufwirtschaftsrechtlichen Produktverantwortung bereits auf das Produktdesign ab.
Ohne europarechtliches Vorbild ist die sog. Obhutspflicht als neue Ausprägung der Produktverantwortung (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 KrWG n.F., § 23 Abs. 2 Nr. 11 KrWG n.F.). Es geht um die Pflicht, beim Vertrieb von Erzeugnissen, auch im Zusammenhang im deren Rücknahme oder Rückgabe, dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden. Insbesondere soll der Produktverantwortliche Erzeugnisse nicht selbst ohne Notwendigkeit kraft eigenen Willens zu Abfall machen dürfen. Damit soll künftig vor allem die Vernichtung von Retouren im Versandhandel sowie von Lagerbeständen im Onlinehandel, aber auch die Verschwendung von Lebensmitteln verhindert werden, etwa durch die Förderung von Spenden. Für die konkrete Ausgestaltung der Obhutspflicht wird es auch hier darauf ankommen, mit welchem Inhalt eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen wird. Die Verordnungsermächtigung sieht etwa ausdrücklich die Forderung eines sog. Transparenzberichts vor, in dem über Art, Menge und Verbleib sowie zu den geplanten Maßnahmen zur Umsetzung der Obhutspflicht Rechenschaft abzulegen ist (§ 25 Abs. 1 Nr. 9 KrWG n.F.).
Freiwillige Rücknahme
Auch die Regelungen zur freiwilligen Rücknahme von Erzeugnissen und den nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfällen zur Wahrnehmung der Produktverantwortung werden neu gefasst (§§ 26, 26a KrWG). Insofern erweitert § 26 Abs. 2 KrWG n.F. die bereits bisher für die freiwillige Rücknahme von gefährlichen Abfällen bestehende Anzeigepflicht auf alle Abfälle. Die Sonderregelungen für gefährliche Abfälle (Befreiung von der Nachweispflicht gemäß § 50 KrWG) werden in § 26a KrWG n.F. überführt.
Die Befreiung von der Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für freiwillig zurückgenommene Erzeugnisse und daraus entstandenen Abfällen setzt gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG weiterhin voraus, dass die Rücknahme in Wahrnehmung der Produktverantwortung erfolgt und dies entsprechend behördlich festgestellt worden ist. Die Feststellung erfolgt auf Antrag des Herstellers oder Vertreibers.
Die Voraussetzungen für die behördliche Feststellung, dass die freiwillige Rücknahme in Wahrnehmung der Produktverantwortung erfolgt, werden nunmehr in § 26 Abs. 3 und Abs. 4 KrWG n.F. geregelt. Dabei wird ausdrücklich unterschieden zwischen der freiwilligen Rücknahme von Abfällen, die von selbst hergestellten oder vertriebenen Erzeugnissen stammen (Abs. 3), und der freiwilligen Rücknahme von Abfällen, die von Fremderzeugnissen stammen (Abs. 4), wobei die freiwillige Rücknahme von Abfällen, die von Fremderzeugnissen stammen, auf nicht gefährliche Abfälle beschränkt ist. Mit der ausdrücklichen Regelung zur freiwilligen Rücknahme von Abfällen, die von Fremderzeugnissen stammen, reagiert der Gesetzgeber auf die jüngste Rechtsprechung, die dies unter bestimmten, jetzt kodifizierten Voraussetzungen für zulässig befunden hat.
Die Regelungen in § 26 Abs. 3 KrWG n.F. zur freiwilligen Rücknahme von Eigenerzeugnissen bzw. von daraus entstandenen Abfällen führen die bisherige Rechtslage weitgehend fort, wobei allerdings die Vorgabe, dass durch die freiwillige Rücknahme die Ziele der Produktverantwortung umgesetzt werden (§ 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG), anders als bisher, einen rein objektiven Maßstab zugrunde legt. Es bedarf hier der Darlegung objektiv nachprüfbarer Fakten, nicht bloß der inneren Motivation. Laut Gesetzesbegründung ist dies z.B. der Fall bei Förderung von Innovationsprozessen beim Hersteller, beim Einsatz der zurückgenommenen Abfälle im eigenen Herstellungsprozess oder bei einem signifikanten Beitrag zur Vermeidung der Vermüllung der Umwelt. Die schon bisher geforderte Voraussetzung, dass durch die freiwillige Rücknahme die Kreislaufwirtschaft gefördert wird (§ 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 KrWG n.F.), wird in § 26 Abs. 3 Satz 2 KrWG n.F. nun näher konkretisiert. Demnach ist eine Förderung der Kreislaufwirtschaft anzunehmen, wenn die geplante Rücknahme und Verwertung der Abfälle insgesamt mindestens so hochwertig erfolgt wie die Rücknahme und Verwertung durch den zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, den von ihm beauftragten Dritten oder einer gemeinnützigen oder gewerblichen Sammlung im Entsorgungsgebiet. Laut Gesetzesbegründung sollen signifikante Impulse in Bezug auf die Vermeidung und Verwertung der Abfälle verzeichnet werden können. Bei dem Vergleich der freiwilligen Rücknahme mit den bestehenden Entsorgungssystemen spielen auch Fragen der Servicegerechtigkeit, Kundenorientierung, der Verwertungswege sowie der Organisation und Logistik der Erfassungsstruktur eine Rolle.
Für die freiwillige Rücknahme von Abfällen aus Fremderzeugnissen (Gruppenverantwortung) müssen zusätzlich zu den Voraussetzungen nach § 26 Abs. 3 KrWG n.F. folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Gattungsgleichheit der zurückgenommen Erzeugnisse mit den vom Zurücknehmenden hergestellten oder vertriebenen Erzeugnissen,
- enger Zusammenhang der Rücknahme mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Zurücknehmenden,
- angemessenes Verhältnis der Menge der zurückgenommenen Abfälle zur Menge der vom Zurücknehmenden hergestellten und vertriebenen Erzeugnisse,
- Sicherstellung, dass die Rücknahme und Verwertung mindestens für drei Jahre durchgeführt wird.
Die ersten drei Voraussetzungen dienen der Abgrenzung der freiwilligen Rücknahme von der gewerblichen Sammlung, wie sie schon die bisherige Rechtsprechung zur freiwilligen Rücknahme fremder Erzeugnisse betont hatte. Insofern darf im Ergebnis die freiwillige Rücknahme von Erzeugnissen nicht derart in den Vordergrund treten, dass sie bei Würdigung der Gesamtumstände nicht mehr nur als Annex zur wirtschaftlichen Haupttätigkeit der Zurücknehmenden erscheint und deshalb in eine gewerbliche Sammlung „umschlägt“. Die vierte Voraussetzung (Sicherstellung der Rücknahme und Verwertung für mindestens drei Jahre) soll insbesondere dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Planung mit den geringeren Mengen ermöglichen.
Nachhaltige Beschaffung
Nach bisherigem Recht bestand für die Behörden des Bundes sowie die der Aufsicht des Bundes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts lediglich die Pflicht, insbesondere im Rahmen der öffentlichen Beschaffung zu prüfen, ob und in welchem Umfang nachhaltige und ressourceneffiziente Erzeugnisse eingesetzt werden können. Im geänderten § 45 Abs. 2 KrWG n.F. wird diese Prüfungspflicht nunmehr zu einer Bevorzugungspflicht fortentwickelt. Damit wird die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand aktualisiert. Die Bevorzugungspflicht gilt u.a. nur dann nicht, wenn das in Betracht kommende Erzeugnis für den vorgesehenen Verwendungszweck nicht geeignet ist oder unzumutbare Mehrkosten verursacht.
Abfallende
§ 5 Abs. 1 KrWG, der das Ende der Abfalleigenschaft regelt, bleibt inhaltlich unangetastet. Die Klarstellung, dass auch das Durchlaufen eines Recyclingverfahrens das Ende der Abfalleigenschaft bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 KrWG herbeiführen kann, bringt vom Regelungsgehalt her nichts Neues. Neu ist hingegen die Konkretisierung und Präzisierung der Mindestinhalte für sog. Abfallende-Rechtsverordnungen in § 5 Abs. 2 KrWG n.F., mit denen die Bedingungen näher festgelegt werden können, unter denen die Abfalleigenschaft endet. Auch diese Präzisierung dürfte aber allein klarstellenden Charakter haben.
Neu eingefügt wurde im Zusammenhang mit dem Abfallende ferner § 7a KrWG n.F., der mit „Chemikalien- und Produktrecht“ überschrieben ist. Hier wird eine Regelung in der Nahtstelle zwischen Abfallrecht auf der einen sowie Chemikalien- und Produktrecht auf der anderen Seite getroffen. Es geht um eine stärkere Verzahnung der Voraussetzungen für das Abfallende mit dem Chemikalien- und Produktrecht. Mit § 7a KrWG n.F. wird klargestellt, dass das Ende der Abfalleigenschaft erst erreicht ist, wenn die betreffenden Abfälle die einschlägigen für Produkte geltenden Vorschriften erfüllen.
Klagerecht für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger
Das geänderte Kreislaufwirtschaftsgesetz enthält nunmehr das im Referentenentwurf noch vorgesehene, im Gesetzentwurf gestrichene und auf Empfehlung des Umweltausschusses wieder eingefügte Klagerecht für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger gegen gewerbliche Sammlungen. Wörtlich bestimmt § 18 Abs. 8 KrWG n.F., dass der von einer gewerblichen Sammlung betroffene öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger einen Anspruch darauf hat, dass die für gewerbliche Sammlungen geltenden Bestimmungen des Anzeigeverfahrens eingehalten werden. Es geht hier um die Herstellung von „Waffengleichheit“ zwischen gewerblichen Sammlern und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern.
Weitere Änderungen
Weitere Änderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes betreffen u.a. das vom Bund aufzustellende Abfallvermeidungsprogramm. Hier werden die Mindestinhalte ergänzt, wie z.B. um die Förderung nachhaltiger Produktions- und Konsummodelle, die Förderung langlebiger, ressourceneffizienter, reparierbarer und aktualisierbarer Produkte, die Verringerung der Lebensmittelverschwendung, Maßnahmen gegen die Vermüllung der Umwelt, etc.
Darüber hinaus wurden Begriffsdefinitionen in § 3 KrWG n.F.) neu eingefügt („Siedlungsabfälle“, „Bau- und Abbruchabfälle“, „Lebensmittelabfälle“, „Stoffliche Verwertung“ und „Verfüllung“) sowie bereits bestehende Definitionen ergänzt bzw. neu gefasst („Bioabfälle“ und „Abfallbewirtschaftung“). Die Inhalte von Abfallwirtschaftsplanung, Abfallwirtschaftskonzepten, Abfallbilanzen sowie der Abfallberatungspflicht wurden fortentwickelt, erweitert und konkretisiert. Eine neue Anlage 5 zum Kreislaufwirtschaftsgesetz mit Beispielen für wirtschaftliche Instrumente und anderen Maßnahmen zur Schaffung von Anreizen für die Anwendung der Abfallhierarchie wurde ergänzt. Die Registerpflicht wurde auf Angaben zur Menge der Erzeugnisse, Materialien und Stoffe, die aus der Vorbereitung zur Wiederverwendung, aus dem Recycling oder aus einem sonstigen Verwertungsverfahren hervorgehen, erweitert, also erstmals auf Nicht-(mehr-)Abfälle.
Ansprechpartner
Janosch Neumann
Öffentliches Recht und Vergabe, Bauen und Immobilien