Aktualität von Umweltdaten und Umweltgutachten

Trotz aller Beschleunigungstendenzen benötigen Planungsverfahren Zeit. Dies betrifft insbesondere große Infrastrukturvorhaben, die komplexe Raumwiderstände überwinden müssen. Von der Ermittlung der Grundlagendaten und der Zusammenstellung der Planunterlagen über die Einreichung des Plans und die Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung bis hin zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vergehen nicht selten mehrere Jahre. Hinzu kommen oft noch Planänderungen während des laufenden Verwaltungsverfahrens bzw. Deckblätter, die eine erneute, zumindest partielle Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich machen können und damit weitere Zeit in Anspruch nehmen.

Während dieser Zeit verhält sich das räumliche Umfeld eines geplanten Vorhabens naturgemäß nicht statisch. Umweltfaktoren unterliegen vielmehr einer dynamischen Entwicklung. Naturräume, Biotopstrukturen und Habitate verändern sich. Arten siedeln sich an oder breiten sich aus. Die Vegetation verändert sich. Neue Schutzgebiete werden ausgewiesen und Siedlungskörper erweitert. Vorbelastungen aufgrund anderer Vorhaben nehmen zu. Auch fachliche Bewertungsmaßstäbe für Umwelteinflüsse können sich ändern. Das geltende Recht unterliegt ohnehin einem stetigen Wandel.

Alle diese Umstände stellen den Vorhabenträger und die Planfeststellungsbehörde vor Herausforderungen. Angesichts der in der Regel aufwendigen Ermittlung von Umweltdaten, etwa durch faunistische Begehungen und Kartierungen, sowie mit Blick auf die zeit- und kostenintensive Erstellung der Planunterlagen inklusive UVP-Bericht, landschaftspflegerischem Begleitplan, Artenschutzprüfung, FFH-Verträglichkeitsprüfung, Luftschadstoffuntersuchung, Schallimmissionsprognose, wasserrechtlichem Fachbeitrag, etc., besteht nicht selten ein gewisses Beharrungsinteresse bei den Verantwortlichen. Im Sinne einer rechtmäßigen Planung muss gleichwohl möglichst rechtssicher entschieden werden, ob die vorhandenen Umweltdaten und Umweltgutachten noch hinreichend aktuell sind, um der Zulassung des Vorhabens zugrunde gelegt werden zu können. Diese Entscheidung hat insbesondere eine materiell-rechtliche, aber auch eine verfahrensrechtliche Tragweite. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die rechtlichen Maßstäbe und deren Ausfüllung durch die jüngere Rechtsprechung.

Rechtlicher Ausgangspunkt

Im rechtlichen Ausgangspunkt ist zunächst einmal der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage von Bedeutung. Dies ist bei Planfeststellungsbeschlüssen nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG der Zeitpunkt des Erlasses. Nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage sind dann nur noch zu berücksichtigen, wenn sie sich günstig auf die Vorhabenzulassung auswirken, wenn sie also zum Fortfall eines vormaligen Rechtsverstoßes führen.

Für die Zwecke des vorliegenden Beitrags lässt sich damit zunächst einmal festhalten, dass Rechtsänderungen, die die Zulassung eines Vorhabens betreffen, bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses zu berücksichtigen sind. Dies hat das BVerwG jüngst auch hinsichtlich der Klimaschutzziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) klargestellt. Da das streitgegenständliche Planfeststellungsverfahren bei Inkrafttreten des KSG noch nicht abgeschlossen war, musste im Rahmen der Gesamtabwägung das Berücksichtigungsgebot in § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG zum Tragen kommen. Nichts anderes wird für geänderte fachliche Bewertungsmaßstäbe zu gelten haben, die – etwa über unbestimmte Rechtsbegriffe – in das geltende Recht einwirken. Werden im Zusammenhang mit Rechtsänderungen hingegen Übergangsbestimmungen im Wege von Stichtagsregelungen implementiert (wie etwa im Zuge der verschiedenen Novellen des UVPG), sind diese maßgeblich und können zu einer Anwendung früheren Rechts führen.

Bei der Frage der Aktualität von Umweltdaten und Umweltgutachten wird es jedoch weniger um rechtliche oder fachliche Bewertungsmaßstäbe als vielmehr um Tatsachen gehen. Auch insoweit gilt – wie oben ausgeführt – nach der ständigen Rechtsprechung zunächst einmal: Maßgeblich ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung. Bis dahin eintretende Veränderungen müssen also grundsätzlich vollumfänglich berücksichtigt werden. Nach Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses durchgeführte Erhebungen in einem Naturraum sind hingegen in der Regel nicht geeignet, eine der Planung zugrunde liegende frühere, nach Methodik und Umfang ordnungsgemäße artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme in Frage zu stellen.

Als materiell-rechtliche Anknüpfung dieses maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts ist – neben dem jeweils einschlägigen Fachrecht – auf die Abwägungslehre abzustellen. Das Abwägungsgebot verlangt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Aus der rechtlichen Vorgabe, dass in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass die eingestellten Belange auch zutreffend gewichtet werden müssen, folgt, dass prinzipiell eine vollständige und aktuelle Ermittlung, Bewertung und Berücksichtigung der maßgeblichen Umweltaspekte stattzufinden hat, um zu einer fehlerfreien Abwägung zu gelangen.

Bedeutet dies nun aber auch, dass im Zuge der Planungen bereits einmal vollständig ermittelte Umweltdaten und bereits ordnungsgemäß erstellte Umweltgutachten bis zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses ständig überprüft sowie erforderlichenfalls aktualisiert und vervollständigt werden müssen? Müssen Umweltdaten und Umweltgutachten – mit anderen Worten – in jeder Hinsicht aktuell gehalten werden? Wäre dies der Fall, sähen sich Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörden einem quasi unauflöslichen Dilemma und erheblichen Rechtsrisiken ausgesetzt. Der Beobachtungsaufwand hinsichtlich der Aktualität von Umweltdaten und Umweltgutachten wäre nicht nur immens, sondern könnte angesichts der Entscheidungszeit, die die Planfeststellungsbehörde inklusive der Zeit für das Abfassen des Beschlusses benötigt, an Sisyphos erinnern, wenn in der Zwischenzeit immer wieder Änderungen zu verzeichnen wären. Auch entstünde ein kaum auflösbarer Widerspruch zur Gültigkeitsdauer des Planfeststellungsbeschlusses. Es wäre nicht erklärlich, warum bis zum Erlass eines fernstraßen- oder energiewirtschaftsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses jedwede Änderung der Sachlage zu berücksichtigen sein sollte, der erlassene Beschluss nach § 17c Nr. 1 FStrG bzw. § 43c Nr. 1 EnWG dann aber – unabhängig von der Änderung der Sach- und Rechtslage – zehn Jahre lang Baurecht verleiht.

Um keinen unverhältnismäßigen Beobachtungs- und Nachermittlungsaufwand für den Vorhabenträger zu erzeugen, statuiert die Rechtsprechung erfreulicherweise denn auch keine permanente Beobachtungs- und Aktualisierungslast bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. Vielmehr scheint sich als grobe „Daumenregel“, die nicht von einer Berücksichtigung der Einzelfallumstände befreit, die sog. „5-Jahres-Regel“ etabliert zu haben.

Einschlägige Rechtsprechung

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird nachfolgend auf einige, insbesondere auch jüngere obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidungen eingegangen, die sich mit der Frage der hinreichenden Aktualität von Umweltdaten und Umweltgutachten befassen. Als vorweggenommenes Fazit lässt sich insoweit festhalten, dass in der einschlägigen Rechtsprechung die oben genannte „5-Jahres-Regel“ durchaus anerkannt ist. Die damit befassten Gerichte werden allerdings nicht müde, die Bedeutung der jeweiligen Einzelfallumstände zu betonen, was aber vor allem für jüngere Umweltdaten und Umweltgutachten Praxisprobleme mit sich bringt.

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Der Hessische VGH hatte sich in seiner Entscheidung zum Ausbau des Flughafens Frankfurt (Landebahn Nordwest) vom 02.01.2009 unter anderem mit der Frage der Aktualität von ökologischen Bestandserfassungen auseinanderzusetzen. Streitig war, ob die notwendigen Bestandsinformationen hinreichend aussagekräftig für die artenschutzrechtliche Beurteilung waren. Die Planfeststellungsbehörde hatte hinsichtlich älterer Daten ein Qualitätssicherungsgutachten in Auftrag gegeben. Das Gericht stellt hierzu Folgendes fest: „Auch was das Alter der verwendeten Daten betrifft, hat die qualitätssichernde Überprüfung ergeben, dass die Validität der Daten durch ihr Alter nicht geschmälert wird. Zwar hat sich in der Planungspraxis seit langem die Konvention durchgesetzt, dass Daten ökologischer Bestandserfassungen bis zu einem Alter von 5 Jahren als aktuell anzusehen sind, dies setzt aber voraus, dass sich in den Untersuchungsgebieten die landschaftliche Situation und die Zusammensetzung der Biozynosen nicht oder nur wenig verändert. Dies wiederum setzt voraus, dass innerhalb des Zeitraums kein Nutzungs- und Strukturwandel stattgefunden hat und auch keine wesentliche Veränderung von Standortbedingungen eingetreten ist. Wenn diese Voraussetzungen – so die Gutachter der Qualitätssicherung – aber gegeben sind, dann ist auch bei einem Alter der Daten von 6 bis 7 Jahren von deren Gültigkeit auszugehen.“.

Dies deckt sich auch mit einer Entscheidung des Hessischen VGH aus der ersten Jahreshälfte 2022. Dabei ging es um die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von sechs Windenergieanlagen. In Streit standen vor allem artenschutzrechtliche Aspekte. So war unter anderem gerügt worden, dass die Datenlage für die artenschutzrechtlichen Prüfungen im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung veraltet gewesen sei. Dieser Argumentation ist das Gericht in der konkreten Sachverhaltskonstellation nicht nähergetreten: „Ein Zeitraum von – wie hier – maximal fünf Jahren seit der letzten Erhebung ist nur dann kritisch, wenn Erkenntnisse im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr belastbar und aussagekräftig sind.“.

Oberverwaltungsgericht NRW

Auf die beiden vorgenannten Entscheidungen des Hessischen VGH nimmt auch das OVG NRW in einer Entscheidung vom 10.05.2022 Bezug. Hier ging es um eine Normenkontrollklage gegen einen Bebauungsplan. Streitgegenständlich war unter anderem die Frage, ob die dem Planaufstellungsverfahren zugrunde gelegten Klimadaten zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch hinreichend aktuell gewesen sind. Eines der entsprechenden Gutachten war nahezu 16 Jahre alt. Auch wenn es für die Normenkontrollentscheidung wegen bereits festgestellter, anderweitiger Planungsfehler nicht mehr darauf ankam, hat das OVG NRW folgende Feststellung getroffen: „In der Rechtsprechung wird insoweit die Auffassung vertreten, dass sich in der Planungspraxis die Konvention durchgesetzt habe, Daten ökologischer Bestandserfassungen seien bis zu einem Alter von etwa 5 Jahren als aktuell anzusehen, wenn sich in den Untersuchungsgebieten die landschaftliche Situation und die Zusammensetzung der Biozynosen nicht oder nur wenig verändert habe. Wenn kein Nutzungs- und Strukturwandel stattgefunden habe und auch sonst keine wesentliche Veränderung von Standortbedingungen eingetreten sei, könne ggf. aber auch bei einem Alter der Daten von 6 bis 7 Jahren grundsätzlich von deren Gültigkeit ausgegangen werden.“

Bundesverwaltungsgericht

Den vorgenannten obergerichtlichen Entscheidungen kann entnommen werden, dass es sich bei der sog. „5-Jahres-Regel“ nicht um einen feststehenden Rechtssatz handelt, der strikt anzuwenden wäre. Vielmehr können die Umstände des konkreten Einzelfalls ein Abweichen verlangen, und zwar sowohl im Sinne einer zeitlichen Verkürzung als auch einer Verlängerung der „5-Jahres-Regel“. Die Maßgeblichkeit der besonderen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls betont auch das BVerwG.

In seinem Urteil vom 04.06.2020 betreffend die nach einem ergänzenden Verfahren geänderten Planfeststellungsbeschlüsse zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe führt das BVerwG Folgendes aus: „Auch der Hinweis der Kläger auf die zwischen dem Erlass der Planfeststellungsbeschlüsse und dem Erlass der 3. Planergänzungsbeschlüsse verstrichene Zeit von über fünf Jahren und die Besonderheiten eines dynamischen Systems, in dem sich insbesondere die Morphologie des Gewässers ständig ändere, gibt keinen Anlass, vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Erlasses der Planfeststellungsbeschlüsse abzurücken. Zwar können tatsächliche Entwicklungen zur Folge haben, dass bestimmte Erkenntnisse als überholt anzusehen sind und als verlässliche Grundlage für weitere Prüfungen und rechtliche Bewertungen nicht mehr taugen. Eine strikte 5-Jahres-Regel ist aber auch bei der Bestandserfassung für die UVP nicht anerkannt. Vielmehr sind die besonderen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen.“.

Eingehend zur Aktualität von Umweltdaten und Umweltgutachten hat das BVerwG auch bereits in seiner Entscheidung vom 09.02.2017 zur Elbvertiefung Stellung genommen. In Streit stand hier die Aktualität der Umweltverträglichkeitsuntersuchung. Auch in dieser Entscheidung betont das Gericht, dass die „5-Jahres-Regel“ nicht schematisch anzuwenden ist, unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände aber eine Leitlinie darstellen kann: „Ausdrückliche Vorgaben zur Aktualität der Datengrundlage enthalten weder die UVP-Richtlinie noch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder die von den Klägern herangezogene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 18 September 1995 (…). In ihren Schlussanträgen (…) leitet die Generalanwältin aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL her, dass es in der Regel auf den Stand der Kenntnisse zu Beginn des Genehmigungsverfahrens ankomme (…). Wenn sich in einem späteren Stadium des Verfahrens zeige, dass aktuellere Angaben erforderlich seien, müssten diese verlangt werden (…). Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (…) sind Datenbestände in der Regel dann hinreichend aktuell, wenn die Erhebungen im Gelände nicht länger als fünf Jahre zurückliegen und nach Durchführung der Geländearbeiten keine erheblichen Veränderungen des Standortes oder der anthropogenen Einflüsse eingetreten sind. Als Leitlinie für die Praxis mag es im Ansatz sinnvoll sein, die Tauglichkeit der Datengrundlage an einer zeitlichen Grenze auszurichten. Eine solche Grenze kann aber nur einen allgemeinen Anhalt bieten. Sie ändert nichts daran, dass die Aktualität der Datengrundlage nach Maßgabe praktischer Vernunft unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände zu beurteilen ist. So kann insbesondere bei einem großflächigen Untersuchungsgebiet die Aktualisierung von Datenbeständen in einem Teilgebiet auch Rückschlüsse auf die Verlässlichkeit älterer Daten für ein anderes Teilgebiet zulassen; eine fortlaufende Aktualisierung aller Bestandsdaten kann nicht verlangt werden.“.

Dies wird auch noch einmal in der Entscheidung des BVerwG vom 29.06.2017 bestätigt, wo die Rechtmäßigkeit eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses in Streit stand und es ebenfalls um die Aktualität von ökologischen Bestandserhebungen ging: „Zu Unrecht gehen die Kläger (…) davon aus, dass die Bestandserhebungen allein deshalb unverwertbar seien, weil sie bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses länger als fünf Jahre zurücklagen. Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde müssen allerdings prüfen, ob ältere Erkenntnisse im Zeitpunkt der Planfeststellung noch belastbar und aussagekräftig sind. Ob und in welchem Umfang neu kartiert werden muss, hängt von den Ergebnissen dieser Überprüfung ab.“.

Auswertung und Bedeutung für die Praxis

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Rechtsänderungen und geänderte umweltfachliche Bewertungsmaßstäbe Eingang in die Planung finden müssen, wenn sie vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses zu verzeichnen sind. Das Gleiche wird für solche Umstände und Belange gelten müssen, die im bisherigen Planungsverfahren – aus welchen Gründen auch immer – von vornherein nicht oder nur unvollständig ermittelt, bewertet und berücksichtigt wurden. Andernfalls droht ein beachtlicher Abwägungsfehler. Darüber hinaus lassen sich aus den angesprochenen obergerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen hinsichtlich der Aktualität von Umweltdaten und Umweltgutachten zwar wertvolle Hinweise für die Planungspraxis der Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörden entnehmen. Es bleiben aber auch Fragen offen.

Sehr erfreulich ist es aus den oben bereits genannten Gründen zunächst einmal, dass das BVerwG ausdrücklich festgestellt hat, dass eine fortlaufende Aktualisierung aller ökologischen Bestandsdaten nicht verlangt werden kann. Es besteht also, um auf die oben aufgeworfene Frage zurückzukommen, nicht die Notwendigkeit, bereits einmal vollständig ermittelte Umweltdaten und bereits ordnungsgemäß erstellte Umweltgutachten bis zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses ständig zu überprüfen. Umweltdaten und Umweltgutachten müssen demzufolge auch nicht in jeder Hinsicht aktuell sein. Das BVerwG zieht diesbezüglich die „Grenze der praktischen Vernunft“ unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände. Ob diese Grenze für sich genommen praxistauglich wäre, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls bringt das BVerwG damit zum Ausdruck, dass ein vernünftiges Maß an Aufwand zu betreiben ist. Auch das Abwägungsgebot und der daran anknüpfende maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Sach- und Rechtslage müssen im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gesehen werden. Der durch weitere Untersuchungen erzielbare Erkenntnisgewinn darf nicht außer Verhältnis zum dafür notwendigen Aufwand stehen. In der Praxis wird es daher – wie bisher – auf eine Anwendung der „5-Jahres-Regel“ hinauslaufen. Das BVerwG hat diese Regel als „Leitlinie für die Praxis“ und als „einen allgemeinen Anhalt“ anerkannt.

Es ist angesichts der oben angesprochenen gerichtlichen Entscheidungen allerdings dringend anzuraten, die „5-Jahres-Regel“ nicht schematisch anzuwenden, sondern die jeweiligen Einzelfallumstände im Blick zu behalten. Dies gilt vor allem für Umweltdaten und Umweltgutachten, die älter als fünf Jahre sind. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 29.06.2017 ausdrücklich festgestellt, dass diese Daten und Gutachten auf ihre Belastbarkeit und Aussagekraft hin zu überprüfen sind. Für Umweltdaten und Umweltgutachten, die älter als fünf Jahre sind, wird also in jedem Falle die Durchführung einer Plausibilitätsprüfung bzw. einer qualitätssichernden Überprüfung anzuraten sein. Die wesentliche Erkenntnisfrage einer solchen Plausibilitätsbetrachtung wird sein müssen, ob sich im Planungsraum die landschaftliche Situation oder die Zusammensetzung der Biozönosen mehr als nur wenig geändert hat. Maßgeblich hierfür ist, ob in den betroffenen Räumen ein Nutzungs- oder Strukturwandel stattgefunden hat oder ob wesentliche Veränderungen von Standortbedingungen eingetreten sind. Insofern dürfte eine Art überschlägige fachgutachterliche Prüfung notwendig, aber auch hinreichend sein. Ein Rückgriff auf allgemeine Erfahrungswerte wird zulässig sein. So kann etwa danach gefragt werden, ob ein im Planungsraum vorhandener Naturraum typischerweise als Lebensraum für bestimmte Arten geeignet ist oder ob sich die ursprünglich festgestellte Biotopausstattung oder die Habitatstrukturen wesentlich verändert haben. In einem großflächigen Untersuchungsgebiet kann auch die Aktualisierung von Datenbeständen in einem Teilgebiet Rückschlüsse auf die Verlässlichkeit älterer Daten für ein anderes Teilgebiet zulassen. Sofern vorhanden, können zudem langjährige Erhebungen in einem Untersuchungsraum als Erkenntnisgrundlage dienen, um typische Entwicklungen abzuleiten.

Abhängig vom Ergebnis dieser Plausibilitätsprüfung bzw. qualitätssichernden Überprüfung ist dann zu entscheiden, ob und – wenn ja – in welchem Umfang eventuell neue Datenerhebungen stattfinden müssen. Werden infolgedessen Nach- bzw. Neuerfassungen von ökologischen Daten durchgeführt oder sonst Aktualisierungen von Umweltdaten und Umweltgutachten vorgenommen, führt dies insoweit auch zur fortbestehenden Aktualität des Abwägungsmaterials.

Eine andere Frage ist, ob auch vor Ablauf von fünf Jahren Umweltdaten und Umweltgutachten auf ihre Aktualität hin zu überprüfen sind. Das BVerwG verhält sich hierzu nicht ausdrücklich, sondern stellt nur generell auf die Maßgabe der praktischen Vernunft unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände ab. Aus den oben angesprochenen obergerichtlichen Entscheidungen lässt sich allerdings entnehmen, dass es auch insoweit auf die fortbestehende Belastbarkeit und Aussagekraft der Daten ankommt, die sich nach einem etwaigen Strukturwandel im Planungsraum oder einer wesentlichen Veränderung der Standortbedingungen bemessen soll. Dies würde aus Gründen der Rechtssicherheit letztlich dazu führen, dass vom ersten Tag an eine Plausibilitätskontrolle erforderlich sein könnte, was aber in einem gewissen Widerspruch zu der Feststellung des BVerwG stünde, dass gerade keine fortlaufende Aktualisierung der Bestandsdaten verlangt werden kann. Im Ergebnis bleibt unklar, welche Maßstäbe hinsichtlich der fortbestehenden Belastbarkeit und Aussagekraft von Umweltdaten und Umweltgutachten jüngeren Datums gelten und welche Anforderungen hierzu vom Vorhabenträger und von der Planfeststellungsbehörde zu erfüllen sind. Im Sinne praktischer Vernunft und mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit wird man bei Umweltdaten und Umweltgutachten jüngeren Datums eine Plausibilitätsprüfung erst dann für angemessen halten können, wenn konkrete Anhaltspunkte für maßgebliche Veränderungen im Untersuchungsraum vorliegen. Ansonsten dürfte eine gewisse Vermutung für die fortbestehende Aktualität der Daten sprechen. Mit zunehmender zeitlicher Nähe zur „5-Jahres-Regel“ wird eine überschlägige Aktualitätsprüfung aber sicherlich zweckmäßig sein, um rechtliche Risiken möglichst auszuräumen.

Ansprechpartner

Janosch Neumann

Öffentliches Recht und Vergabe, Bauen und Immobilien

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