Steine statt Brot für ArbeitgeberInnen – Aktuelles vom Bundesarbeitsgericht zum Datenschutz

Der Datenschutz hat einen unbestreitbar hohen Wert. Dies gilt auch und gerade für den gesamten Bereich der Arbeitswelt. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Realisierung der informationellen Selbstbestimmung von Beschäftigten. ArbeitgeberInnen machen jedoch häufig die Erfahrung, dass entsprechende Rechtspositionen vorrangig deshalb eingefordert werden, um sich im Ergebnis wirtschaftlich zu optimieren. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Woche Gelegenheit, die rechtlichen Konturen in dem Zusammenhang zu schärfen, was jedoch aus Sicht der Praxis leider nur unzureichend erfolgt ist.

Das Problem

Am 25.05.2018 trat die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft, die seitdem schon vielfach die Arbeitsgerichtsbarkeit beschäftigt hat. Eine zentrale Bedeutung kommt insoweit dem dort geregelten Auskunftsrecht der Beschäftigten zu. Gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat jede betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Sofern dies der Fall ist, besteht ein Recht auf Auskunft über die entsprechenden Daten nach Maßgabe der dort bestimmten Kriterien. Zudem ordnet Art. 15 Abs. 3 DSGVO an, dass ArbeitgeberInnen als Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen haben, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

Gerade anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen wird das Regelwerk häufig dazu genutzt, um arbeitnehmerseitig Druck zugunsten einer schnellen und vor allem lukrativen Lösung aufzubauen. Faktisch wird deshalb entweder schon außergerichtlich oder im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens gefordert, Kopien des vollständigen E-Mail-Verkehrs zur Verfügung zu stellen, der von dem oder der Betreffenden in all den Jahren ihrer Beschäftigung geführt oder empfangen wurde. Der hiermit korrespondierende Aufwand kann im Einzelfall ganz erheblich sein und damit die Bereitschaft auf Arbeitgeberseite fördern, möglichst rasch – zu dann meist kostenintensiven Bedingungen – eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Insbesondere das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte in seinem Urteil vom 20.12.2018 (vgl. Az. 17 Sa 11/18) eine sehr weitgehende Entscheidung in dem Zusammenhang getroffen, die für die Fachwelt viele Fragen aufwarf, deren Klärung durch das Bundesarbeitsgericht erhofft wurde. Erfreulicherweise kam es in dem Rechtsstreit auch zu einem dies grundsätzlich ermöglichenden Revisionsverfahren, das jedoch ohne eine Entscheidung des Gerichts endete, weil sich die Parteien nach Jahren der Auseinandersetzung kurz vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 02.09.2020 vergleichsweise geeinigt haben (vgl. Az. 5 AZR 66/19).

Das Arbeitsgericht Düsseldorf vertritt hingegen einen tendenziell restriktiven Ansatz. In dieser Konsequenz wurde mit Urteil vom 20.03.2020 festgestellt, dass dem geltend gemachten Anspruch auf Erteilung von Kopien der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen könne. Dies sei der Fall, wenn der hiermit verbundene Aufwand für ArbeitgeberInnen in einem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin stehe. Der Entscheidung lag allerdings ein Klageanspruch zugrunde, der auf die Kopien aller personenbezogenen Daten des dortigen Klägers abstellte, was für die verklagte Arbeitgeberin bedeutet hätte, in sämtlichen Servern, Datenbanken, Web-Anwendungen, E-Mail-Postfächern, Verzeichnisstrukturen, Speichermedien, Smartphones, Notebooks und diversen anderen Endgeräten der Beklagten sowie der Vorgesetzten und Kollegen des Klägers suchen zu müssen (vgl. Az. 9 Ca 6557/18).

Aus Arbeitgebersicht bleibt zu hoffen, dass der dargestellte Ansatz des Arbeitsgerichts Düsseldorf mit seiner beschränkenden Wirkung rechtskräftig bestätigt wird. Derzeit ist das Verfahren in der Berufungsinstanz beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf anhängig (vgl. Az. 14 Sa 294/20). Eben deshalb ist noch offen, wie der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz endet. Insbesondere ist aber ungewiss, ob der Vorgang überhaupt bis zum Bundesarbeitsgericht gelangt und dort sodann eine zu wünschende – höchstrichterliche – Rechtsklarheit in der Sache geschaffen wird.

Die Entscheidung

Anders verhält es sich mit einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 06.09.2020 (vgl. Az. 9 Sa 608/19), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht diese Woche am 27.04.2021 war (vgl. Az. 2 AZR 342/20). Auch dort ging es um geforderte Kopien von personenbezogenen Daten, was den vollständigen E-Mail-Verkehr des Klägers mit umfassen sollte.

Dem wurde in der Berufungsinstanz noch eine Absage erteilt. Das Landesarbeitsgericht sah nämlich einen Anspruch nur im Hinblick auf die in Art. 15 Abs. 1 geregelten Pflichtangaben als gegeben an. Der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 DSGVO, der ausdrücklich die Pflicht zur Bereitstellung von Kopien zum Gegenstand hat, spreche nämlich allein von Daten, die „Gegenstand der Verarbeitung“ seien, was sich daher auf den insoweit beschränkenden Maßstab von Art. 15 Abs. 1 DSGVO beziehe, zu dem der gesamte E-Mail-Verkehr gerade nicht gehöre. Die hiergegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg. Leider steht dies aber nicht stellvertretend für die rechtskräftige Erkenntnis, dass der vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingenommene Standpunkt materiellrechtlich zutreffend ist. Denn das vom Bundesarbeitsgericht gefundene Ergebnis basiert letztlich allein auf vollstreckungsrechtlichen Erwägungen.

Maßgeblich sei nämlich Folgendes: Bei einer Verurteilung des in dem Rechtsstreit verklagten Arbeitgebers, Kopien des klägerischen E-Mail-Verkehrs zur Verfügung zu stellen sowie von solchen E-Mails, die ihn, den Kläger, namentlich erwähnen, bliebe unklar, welche E-Mails die Beklagte konkret zu überlassen hätte. Gegenstand der Verurteilung wäre dann die Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung im Sinne von § 888 der Zivilprozessordnung (ZPO), für die im Zwangsvollstreckungsrecht nicht vorgesehen sei, dass der Schuldner an Eides statt zu versichern habe, sie, die nicht vertretbare Handlung, vollständig erbracht zu haben. Vor dem Hintergrund konnte das Bundesarbeitsgericht den klägerseitig geltend gemachten Anspruch als gegeben unterstellen, was ausweislich der Pressemitteilung des erkennenden Senats auch tatsächlich geschehen ist (vgl. Nr. 8/21). Denn die fehlende Begründetheit der Revision resultierte bereits aus den dargestellten vollstreckungsrechtlichen Überlegungen. Ausdrücklich wies das Bundesarbeitsgericht aber darauf hin, dass methodisch im Wege der Stufenklage vorgegangen werden könne, um hierüber in einem 1. Schritt einschlägige Informationen über den Umfang der arbeitgeberseitig gespeicherten Daten zu erlangen, um sodann darauf gestützt einen prozessual notwendigerweise bestimmten Klageantrag auf Erteilung entsprechender Kopien stellen zu können.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lässt offen, ob ein dementsprechend geltend gemachter Anspruch auch im Ergebnis durchdringt oder dies nur eine prozessual richtige Vorgehensweise wäre. Mit Rücksicht auf die einschlägige Pressemitteilung zu dem Urteil ist nicht unbedingt zu erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht später in der letztlich ausgefertigten Entscheidung zur materiellrechtlichen Reichweite eines solchen Anspruchs zumindest in einem obiter dictum Stellung nimmt. Für die Praxis wäre dies wünschenswert.

Das Fazit

Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass aktuell leider keine Rechtsklarheit darüber besteht, inwieweit ein Anspruch von Beschäftigten auf Erteilung von Kopien des sie betreffenden E-Mail-Verkehrs gegeben ist. In dieser Konsequenz müssen ArbeitgeberInnen im Rahmen von Trennungsprozessen entscheiden, ob sie zugunsten einer schnellen, dann aber wahrscheinlich kostspieligeren Lösung die Sache besser insgesamt vergleichsweise erledigen sollten. Alternativ bleibt die Möglichkeit, dem Anspruch auf Erteilung der gewünschten Kopien nachzukommen und erforderlichenfalls einen Kündigungsschutzprozess unter Inkaufnahme des hiermit verbundenen Annahmeverzugsrisikos zu führen, der vielleicht erst der taktische Anlass für das datenschutzrechtliche Verlangen war. Zudem bleibt für ArbeitgeberInnen bei einer solchen Ausgangslage die Option der Totalverweigerung. Dies bedeutet, den Kündigungsschutzprozess sodann regulär zu führen und gleichzeitig das Risiko einzugehen, dass die ungeklärten Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem streitigen datenschutzrechtlichen Anspruch nach aktuellem Stand einen jahrelangen Rechtsstreit über drei Instanzen zur Folge haben können.

Schließlich kann sich ein solches Vorgehen unter Umständen auch prozessual auf die Darlegungs- und Beweislast der Parteien auswirken und hierdurch indirekt Einfluss auf den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses selbst nehmen. Daher ist es geboten, die Besonderheiten des jeweiligen Falles zu erkennen, abzuwägen und sodann ganzheitlich bei dem prozessualen oder auch schon außergerichtlichen Handeln auf Arbeitgeberseite angemessen zu berücksichtigen.

Ansprechpartner

Dr. Uwe Julius Faustmann

Arbeits- und Dienstvertragsrecht, Insolvenzen und Sanierungen, Wirtschaft und Finanzen

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