Coronavirus und Betriebsratsarbeit

Die aktuelle Pandemie betrifft zwangsläufig auch und in besonderem Maße die gesamte Arbeitswelt. Dabei kommt der Rechtswirksamkeit von Beschlüssen des Betriebsrats eine besondere Bedeutung zu, die etwa im Zusammenhang mit der Einführung von Kurzarbeit oder dem Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen erforderlich sind. Dies zeigt gleichzeitig, dass die Problematik natürlich nicht allein für Betriebsräte besteht, sondern die Arbeitgeber selbst hierdurch wirtschaftlich dramatisch betroffen sein können.

Die etwaige Quarantäne einzelner Mitglieder des Betriebsrats lässt sich nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes noch relativ einfach lösen, weil in einem solchen Fall Ersatzmitglieder für die verhinderten Personen nachrücken. Hierbei bleibt die gesetzlich vorgegebene Beschlussfähigkeit des Gremiums zu beachten. Die eigentliche Schwierigkeit besteht aber in der aus gesundheitlichen Gründen gebotenen Abwesenheit von Präsenzveranstaltungen, die wiederum das Betriebsverfassungsgesetz dem Wortlaut nach fordert. Denn danach werden Beschlüsse des Betriebsrats mit der Mehrheit der anwesenden – mithin präsenten – Mitglieder gefasst. Selbst ein Umlaufverfahren ist dem Betriebsverfassungsgesetz im Unterschied zu bestimmten gesellschaftsrechtlichen Regelungen fremd.

Ob in der jetzigen Krisensituation alternativ eine wirksame Beschlussfassung auch in Telefon- oder Videokonferenzen der Betriebsratsmitglieder erfolgen kann, erscheint nicht sicher, wenngleich der Minister für Arbeit und Soziales einen solchen Weg derzeit pragmatischerweise gemäß seiner Erklärung vom 23.03.2020 für möglich hält. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine ministerielle Auffassung, an die die Arbeitsgerichte im Streitfall nicht gebunden sind. Deren großzügige Bewertung zugunsten einer wirksamen Beschlussfassung in solchen Telefon- oder Videokonferenzen erscheint zwar mit Rücksicht auf die aktuelle Notlage wahrscheinlich, aber eben leider nicht sicher.

Was bedeutet dies für die Praxis?

Wenn aufgrund der örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall eine ausreichende physische soziale Distanz uneingeschränkt realisierbar ist und alle medizinisch gebotenen Hygienestandards eingehalten werden, bliebe durch den Betriebsrat zu entscheiden, ob er zugunsten einer größeren Rechtssicherheit vertretbar eine Präsenzveranstaltung durchführen kann und will. Ansonsten ist darauf zu achten, dass auch bei Beschlüssen im Rahmen einer Telefon- oder Videokonferenz die für reguläre Sitzungen bestimmten Formalien unbedingt eingehalten werden. Dazu gehören also die Ladung aller Mitglieder, die Übersendung der Tagesordnung und die Registrierung der Anwesenheit.

Zudem sollte die persönliche Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer solchen Konferenz dem Vorsitzenden des Betriebsrats gegenüber jeweils in Textform gesondert bestätigt werden. Hilfreich erscheint es auch, wenn in einer später wieder möglichen Präsenzveranstaltung der in einer Telefon- oder Videokonferenz bereits gefasste Beschluss unter Wahrung der Formalien für reguläre Sitzungen als ordnungsgemäß und gewollt zusätzlich vom Betriebsratsgremium festgestellt wird.

 

Ansprechpartner

Dr. Uwe Julius Faustmann

Arbeits- und Dienstvertragsrecht, Insolvenzen und Sanierungen, Wirtschaft und Finanzen

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