Änderung der IED und der 4. BImSchV im Hinblick auf eine Vereinfachung des Genehmigungsregimes für Elektrolyseure

Durch erneuerbare Energien erzeugter Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Energiewende. Nur mit grünem Wasserstoff lassen sich große Teile der Industrie und des Verkehrs klimafreundlich gestalten. Die jüngste Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung aus Juli 2023 geht bereits für das Jahr 2030 von einem Gesamtwasserstoffbedarf einschließlich Derivaten (wie Ammoniak, Methanol oder synthetischen Kraftstoffen) von 95 bis 130 TWh aus. Für die Bereitstellung von Wasserstoff in ausreichenden Mengen und an den richtigen Stellen sind systemdienliche Power-to-Gas-Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, also mit erneuerbaren Energien betriebene Elektrolyseure, in ausreichender Zahl und mit ausreichender Leistung notwendig. Hierzu hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine Verdoppelung des Ausbauziels der Elektrolyseleistung von 5 GW auf mindestens 10 GW bis zum Jahr 2030 vorgegeben. Damit dieses Ausbauziel erreicht werden kann, sollen ausweislich der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Elektrolyseure vereinfacht und beschleunigt sowie regulatorische Hemmnisse abgebaut werden.

Problemstellung

Die gefestigte behördliche Praxis geht – gestützt auf einen entsprechenden Beschluss des Ausschusses „Anlagenbezogener Immissionsschutz/Störfallvorsorge (AISV)“ der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) aus dem Jahr 2017 – aktuell davon aus, dass Elektrolyseure unter Nr. 4.1.12 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV fallen und somit dem Grunde nach einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. Nr. 4.1.12 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV erfasst „Anlagen zur Herstellung von Stoffen oder Stoffgruppen durch chemische, biochemische oder biologische Umwandlung in industriellem Umfang […] zur Herstellung von Gasen wie […] Wasserstoff […]“. Die Regelung dient der Umsetzung von Ziffer 4.2 lit. a) des Anhangs I zur EU-Industrieemissionsrichtlinie (nachfolgend: „IED“). Anhang I der IED erfasst unter Ziffer 4 (Chemische Industrie) die Herstellung bestimmter „Stoffe oder Stoffgruppen durch chemische oder biologische Umwandlung im industriellen Umfang“. Hierzu zählt nach Ziffer 4.2 lit. a) des Anhangs I auch die „Herstellung von anorganischen Chemikalien wie Gase wie […] Wasserstoff […]“.

Die aktuelle behördliche Praxis entnimmt daraus, dass Elektrolyseure, mit denen Wasserstoff in industriellem Umfang hergestellt wird, einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit Öffentlichkeitsbeteiligung bedürfen und als IED-Anlagen zu qualifizieren sind. Eine gesetzliche Definition des „industriellen Umfangs“ existiert nicht. Es gibt auch keine konkreten oder verbindlichen Mengenschwellen. Die EU-Kommission hebt im Rahmen der Beantwortung von FAQs zur IED u.a. die kommerzielle Verwendung des Wasserstoffs als ein maßgebliches Kriterium für den industriellen Umfang hervor. Vor diesem Hintergrund wird im Falle einer Vermarktung des Wasserstoffs häufig bereits vom ersten produzierten Molekül an von einer Herstellung in industriellem Umfang ausgegangen.

Lediglich bei der Wasserstoffproduktion für den direkten Eigenverbrauch zur Rückverstromung in einer Brennstoffzelle soll laut der Beantwortung von Auslegungsfragen zur 4. BImSchV durch die LAI kein industrieller Umfang vorliegen – jedenfalls dann, wenn der Elektrolyseur mit einer Leistung nicht größer als 100 kW betrieben wird und nicht mehr als 100 kg Wasserstoff gelagert werden. Als Eigenverbrauch wird die Nutzung des Wasserstoffs in privat oder gewerblich genutzten Gebäuden ausschließlich zur eigenen Strom- oder Wärmeversorgung verstanden. Die Menge des produzierten Wasserstoffs von etwa 2,5 kg/h und die Lagerung von maximal 100 kg sei nicht geeignet, um durch den Verkauf an Dritte Gewinne erzielen zu können.

Damit ist freilich keine generelle Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs des „industriellen Umfangs“ verbunden. Letztlich geht die aktuelle behördliche Praxis zumeist davon aus, dass Elektrolyseure, die eine über den bloßen „Hausgebrauch“ hinausgehende Größe aufweisen, der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht mit Öffentlichkeitsbeteiligung einschließlich Qualifizierung als IED-Anlage unterliegen. Ohne auf die in der Literatur und von Verbänden geäußerte beachtliche Kritik an dieser Praxis einzugehen, wendet auch die – soweit ersichtlich – bislang einzige gerichtliche Entscheidung des VG Freiburg vom 8.12.2022 Nr. 4.1.12 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV auf Elektrolyseure an. Dass eine derartige Rechtspraxis die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie den Abbau regulatorischer Hemmnisse gerade für kleinere und dezentrale Elektrolyseure konterkariert, liegt auf der Hand. Hieran werden aber wohl nur Rechtsänderungen etwas ändern können, die wegen der unionsrechtlichen Vorgaben gemäß IED auf EU-Ebene ansetzen müssen.

Vorschläge zur Änderung der IED

Der AISV hat bereits auf seiner 144. Sitzung am 19.11.2019 beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu genehmigungsrechtlichen Fragen von Elektrolyseuren einzurichten, u.a. mit dem Ziel einer Anpassung der 4. BImSchV. In seiner 147. Sitzung hat der AISV den Vorschlag entwickelt, dass Elektrolyseure, die in einem weit zu fassenden Zusammenhang mit der Energiewirtschaft stehen, bis zu einer elektrischen Nennleistung von 1 MW im vereinfachten Verfahren zu genehmigen sein sollen. Diesen Vorschlag hat die LAI auf ihrer 142. Sitzung am 14./15.09.2021 wegen europarechtlichen Bedenken abgelehnt. Stattdessen wurde das BMUV gebeten, im Rahmen der Novellierung der IED auf deren Änderung hinzuwirken. In der jüngsten Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung aus Juli 2023 heißt es hierzu: „Mit dem Ziel eines kürzeren Genehmigungspro­zesses zum Ausbau der dezentralen Produktion von Wasserstoff und dessen Derivaten wird eine Anpassung der 4. BImSchV nach einer Änderung der europarechtlichen Grundlagen geprüft.“

Gleichwohl greift der Vorschlag der EU-Kommission zur Novellierung der IED vom 05.04.2022, der u.a. der Umsetzung des European Green Deal dienen soll, keinerlei Änderungen in Bezug auf Elektrolyseure auf, sondern lässt Ziffer 4.2 lit. a) des Anhangs I der IED unangetastet. Erst nach einer entsprechenden Einigung des EU-Umweltrates vom 16.03.2023 im Rahmen der Allgemeinen Ausrichtung ist vorgesehen, dass die Wasserelektrolyse vollständig von Ziffer 4.2 lit. a) des Anhangs I der IED ausgenommen werden soll. Stattdessen schlägt der Rat eine Neufassung von Ziffer 6.6 vor. Demnach soll die „Wasserelektrolyse zur Wasserstoffherstellung“ erst dann als IED-Anlage qualifiziert werden, wenn eine „Produktionskapazität von über 60 t pro Tag“ vorgesehen ist. Auch das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, die Wasserelektrolyse zur Wasserstoffherstellung erst ab einem bestimmten Schwellenwert als IED-Anlage zu qualifizieren. Nach dem Vorschlag des Umweltausschusses vom 19.06.2023 ist vorgesehen, es zwar bei einer Regelung in Ziffer 4.2 lit. a) des Anhangs I der IED zu belassen, die „Wasserelektrolyse zur Wasserstofferzeugung mit einer Wasserstoffproduktionskapazität von weniger als 50 MW elektrischer Leistung“ aber auszunehmen. Das Europäische Parlament hat diesen Vorschlag in erster Lesung am 11.07.2023 unverändert übernommen.

Im Ergebnis wird man erwarten können, dass es künftig in der IED einen bestimmten Leistungsgrenzwert für Elektrolyseure geben wird. Diese Einschätzung resultiert daraus, dass sich nunmehr beide im Rahmen des einschlägigen ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zur abschließenden Entscheidung berufenen EU-Organe für einen solchen Leistungsgrenzwert ausgesprochen haben. Art und Höhe des Leistungsgrenzwerts hängen vom Ausgang der Trilogverhandlungen ab, zumal die Positionen von Rat und Parlament aktuell noch sehr weit auseinander liegen. Denn die vom Rat vorgeschlagene Produktionskapazität von 60 t Wasserstoff pro Tag entspricht etwa einer elektrischen Nennleistung von 120 MW.

Vorschläge zur Änderung der 4. BImSchV

Die Implementierung einer (hohen) Schwelle, ab deren Überschreitung Elektrolyseure als IED-Anlage zu qualifizieren sind, ermöglicht es der Rechtsetzung durch die Mitgliedstaaten, unterhalb dieser Schwelle darüber zu entscheiden, ob und – wenn ja – welche Leistungsgrenzwerte sie als Voraussetzung für die Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung (G-Schwelle) oder ohne Öffentlichkeitsbeteiligung (V-Schwelle) festlegen möchten. Unterhalb der V-Schwelle wären Elektrolyseure dann von einem Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG freigestellt.

Vorschläge zur Höhe der Leistungsgrenzwerte wurden von unterschiedlicher Seite bereits in die Diskussion eingebracht. So spricht sich der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein gegen eine Einordnung von Elektrolyseuren als IED-Anlage aus und schlägt als G-Schwelle eine Erzeugungsleistung von 10 MW oder mehr und eine V-Schwelle von 1 MW oder mehr vor. Auch der BDI plädiert für eine Herausnahme von Elektrolyseuren aus der IED sowie darüber hinaus für eine Freistellung von einem Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Als V-Schwelle sieht der BDI 1 MW elektrische Nennleistung vor. Das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V. (IKEM) schließt sich dem Vorschlag des Landesverbands Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein an (Herausnahme von Elektrolyseuren aus dem Anwendungsbereich der IED, G-Schwelle etwa ab 10 MW, V-Schwelle bei 1-2 MW). Zudem plädiert das IKEM für eine perspektivische Anpassung der Schwellen nach dem Stand der Technik. So sei es denkbar, aufgrund von einem weiter sinkenden Emissionspotenzial und der Weiterentwicklung der Anlagentechnik höhere G-Schwellenwerte – etwa 50 MW Erzeugungsleistung – festzusetzen.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe der LAI zur Genehmigung von Elektrolyseuren geht nach Auswertung verschiedener Argumente, vor allem auch der maßgeblichen Umweltauswirkungen von Elektrolyseuren, davon aus, dass ein sachgerechter Vorschlag für eine V-Schwelle im Bereich von 1 bis 5 MW elektrischer Nennleistung zu suchen sei. Letztlich schlägt die Arbeitsgruppe in ihrem Zwischenbericht vom 08.06.2023 als V-Schwelle eine elektrische Nennleistung von 5 MW oder mehr und als G-Schwelle eine Tagesproduktionskapazität von 60 t oder mehr vor. Damit setzt die Arbeitsgruppe bewusst die G-Schwelle mit der Qualifizierung als IED-Anlage gleich und orientiert sich insoweit an der Positionierung des EU-Umweltrates vom 16.03.2023.

Fazit

Im Sinne des Markthochlaufs von grünem Wasserstoff ist es dringend zu begrüßen, Elektrolyseure möglichst weitgehend von einem arbeits-, zeit- und kostenaufwändigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung freizustellen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass mit der aktuellen Einordnung als IED-Anlage zusätzliche Vorgaben während des Betriebs verbunden sind (besondere Anforderungen an die Überwachung gemäß § 52a BImSchG, Notwendigkeit zur Bestellung eines Immissionsschutzbeauftragten sowie Umsetzung der BVT). Die weitgehende Freistellung von Elektrolyseuren von einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren würde im Übrigen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass von Elektrolyseuren in der Regel keine erheblichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ausgehen.

In der Gesamtschau wäre daher ein Vorschlag in Anlehnung an die Vorstellungen der Ad-hoc-Arbeitsgruppe der LAI zu begrüßen. Dies gilt zunächst für eine Gleichsetzung der G-Schwelle mit dem Leistungsgrenzwert für die Einordnung als IED-Anlage. Es würden damit lediglich die europarechtlichen Mindestvorgaben in nationales Recht überführt, was für Elektrolyseure als ausreichend erscheint. Rechtliche Bedenken im Hinblick auf § 4 Abs. 1 BImSchG bestehen insoweit nicht. Denn die Risikobewertung bei Elektrolyseuren zeigt, dass auch größere Anlagen nur bedingt erhebliche Umweltauswirkungen haben, zumal die Umweltrelevanz häufig gar nicht von der Anlagengröße abhängt. Welcher gleichlautende Leistungsgrenzwert für die Einordnung als IED-Anlage und als G-Schwelle künftig gelten soll, wird sich im Rahmen der Trilogverhandlungen zeigen müssen. Es dürfte einiges dafür sprechen, dass die vom EU-Umweltrat angedachte Produktionskapazität von 60 t Wasserstoff pro Tag, also 120 MW elektrische Nennleistung, etwas hoch angesetzt ist. Realistischer wird hier die vom Europäischen Parlament und die vom IKEM perspektivisch angedachte Schwelle von 50 MW sein. Auch die von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe vorgeschlagene V-Schwelle von 5 MW erscheint überlegenswert. Jedenfalls wird eine V-Schwelle von 1 MW, ab der es überhaupt erst um Anlagen in einer Größe von etwa einem Container geht, zu gering sein. Sie führt dazu, dass nahezu jeder systemdienliche Elektrolyseur einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unterliegt. Hierbei darf auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Elektrolyseuren nicht aus den Augen verloren werden. Denn immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen sind typischerweise nur in Industriegebieten zulässig, was einer flächendeckend dezentralen Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff entgegenstehen wird.

Im Sinne des Markthochlaufs kommt es nun darauf an, die notwendigen Änderungen zügig herbeizuführen. Die Trilogverhandlungen sollen Ende 2023 bzw. Anfang 2024 abgeschlossen sein. Anschließend müssen umgehend die entsprechenden Anpassungen in der 4. BImSchV in Kraft treten. Insofern ist der Vorschlag der Ad-hoc-Arbeitsgruppe der LAI sehr zu begrüßen, frühzeitig eine auf das Inkrafttreten der entsprechenden Novellierung der IED bedingte Änderung der 4. BImSchV zu erlassen.

Folgeänderungen sind im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Aktuell werden Elektrolyseure – analog zu Nr. 4.1.12 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV – in der behördlichen Praxis unter Nr. 4.2 der Anlage 1 zum UVPG gefasst, sodass grundsätzlich ab der Herstellung des ersten Wasserstoffmoleküls eine Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls besteht. Künftig müsste die allgemeine Vorprüfungspflicht konsequenterweise an die V-Schwelle und die unbedingte UVP-Pflicht an die G-Schwelle anknüpfen.

Dieser Beitrag ist auch im juris PraxisReport Umwelt- und Planungsrecht 11/2023 vom 09.11.2023 als Anmerkung 1 erschienen. Eine ausführlichere Fassung unter dem Titel „Das Genehmigungsregime für Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff – Status quo und Ausblick auf die Änderung der Industrieemissionsrichtlinie“ erscheint in der Fachzeitschrift Umweltrechtliche Beiträge aus Wissenschaft und Praxis (UWP), 2023, Heft 3.

Ansprechpartner

Janosch Neumann

Öffentliches Recht und Vergabe, Bauen und Immobilien

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